Kenntnis
Die Weisheit der Welt oder die göttliche Weisheit
Diese Gegenüberstellung der beiden Formen der Weisheit kann nicht mit dem Unterschied zwischen der Theologie auf der einen und der Philosophie und den Wissenschaften auf der anderen Seite gleichgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um zwei grundsätzliche Einstellungen. Die "Weisheit dieser Welt" bedeutet eine Art zu leben und die Dinge zu sehen, die auf Gott keine Rücksicht nimmt und den Massstäben des Erfolgs und der Macht gehorchend der herrschenden Meinung folgt. Die "göttliche Weisheit" besteht darin, dem Geist Christi zu folgen - Christus öffnet uns die Augen des Herzens, um dem Weg der Wahrheit und der Liebe zu folgen.
Ansprache nach Eucharistiefeier für die kirchlichen Universitäten Roms, 30. Oktober 2008
Gottes Gebote sind Quelle der Freiheit
Er hat uns seine Gebote geschenkt, nicht als Bürde, sondern als Quelle der Freiheit: der Freiheit, Männer und Frauen voller Weisheit zu werden, Meister der Gerechtigkeit und des Friedens. Menschen, die den anderen Vertrauen und deren wahres Wohl suchen. Gott hat uns geschaffen, um im Licht zu leben und Licht für die Welt um uns zu sein! Das ist es, was Jesus im heutigen Evangelium sagt. "Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind" (Joh 3,21).
Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Bischöfen der Interregionalen Versammlung der Bischöfe des Südlichen Afrika in Luanda, 22. März 2009
Das Heiligste Herz Jesu
Das Herz Gottes lodert vor Mitleid auf! Am heutigen Hochfest des heiligsten Herzens Jesu stellt die Kirche unserer Betrachtung dieses Geheimnis anheim, das Geheimnis des Herzens eines Gottes, der Rührung empfindet und der die Menschheit mit all seiner Liebe überflutet.
Predigt bei der Vesper am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu, 19. Juni 2009
"Christ" ist mehr als ein Name
Die Bezeichnung "Christ" ist mehr als ein Name, es ist ein Auftrag und eine Sendung. So beten wir im heutigen Tagesgebet: "Gott, gib allen, die sich Christen nennen, die Kraft, zu meiden, was diesem Namen widerspricht, und zu tun, was unserem Glauben entspricht." Dies gelingt uns, wenn wir unser Leben ganz auf Jesus ausrichten und seiner Kraft und Liebe in uns Raum geben. Dann sind wir wirklich "Christen": nicht jemand, der sich selbst verkündet, sondern Mitarbeiter Christi in der Liebe und in der Wahrheit zum Heil der Mitmenschen. Der Heilige Geist helfe uns dabei mit seiner Gnade.
Angelus, 12. Juli 2009
"Ich heilige mich" - "ich opfere mich"
Bultmann hat daher recht, wenn er das Wort "Ich heilige mich" übersetzt: "Ich opfere mich".
Verstehen wir nun, was geschieht, wenn Jesus sagt: "Ich heilige mich für sie"? Dies ist der priesterliche Akt, indem Jesus - der mit dem Sohn Gottes geeinte Mensch Jesus - sich für uns dem Vater übergibt. Es ist Ausdruck dafür, dass er Priester und Opfer zugleich ist. Ich heilige mich - ich opfere mich: Dieses abgründige Wort, das uns zutiefst in das Herz Jesu Christi hineinschauen lässt, sollten wir immer wieder bedenken. Darin liegt das ganze Geheimnis unserer Erlösung. Und der Ursprung des Priestertums der Kirche - unseres Priestertums - liegt darin.
Predigt bei der "Missa chrismatis" am Gründonnerstag, 9. April 2009
Christus in Bildern verehren ist rechtmässig
Christus lädt uns ein, ihn nachzuahmen, ihm ähnlich zu werden, so dass in jedem Menschen von neuem das Antlitz Gottes, das Bild Gottes durchscheint. Um die Wahrheit zu sagen: Gott hatte in den Zehn Geboten verboten, Bilder von Gott zu machen, dies aber wegen der Versuchungen des Götzendienstes, denen der Gläubige in einem Umfeld des Heidentums ausgesetzt sein konnte. Als aber Gott in Christus durch die Fleischwerdung sichtbar geworden ist, ist es rechtmässig geworden, das Antlitz Christi bildlich darzustellen, die heiligen Bilder lehren uns Gott in der Darstellung des Antlitzes Christi zu sehen. Nach der Menschwerdung des Sohnes Gottes ist es also möglich geworden, Gott in den Bildern Christi und auch im Antlitz der Heiligen zu sehen, im Antlitz aller Menschen, in denen die Heiligkeit Gottes aufleuchtet.
Generalaudienz, 29. April 2009
Die Stufen der Weisheit
Auf die Weisheit, die in der Heiligkeit zur vollen Entfaltung kommt, richtete er [der hl. Bonaventura] jeden Schritt seines Denkens und seines mystischen Strebens aus, wobei er mehrere Stufen durchschreitet: die erste Stufe, die er als "einförmige Weisheit" bezeichnet, betrifft die Grundprinzipien der Erkenntnis. Auf sie folgt die "vielförmige Weisheit", die im geheimnisvollen Sprachgebrauch der Bibel besteht, dann die "allförmige Weisheit" die in jeder geschaffenen Wirklichkeit denn Abglanz des Schöpfers erkennt, und schliesslich die "Weisheit ohne Form", also die Erfahrung der inneren mystischen Begegnung mit Gott wenn der Verstand des Menschen schweigend mit dem unendlichen Geheimnis in Berührung kommt (vgl. J. Ratzinger, die Geschichtstheologie des Heiligen Bonaventura).
Ansprache bei der Begegnung mit den Einwohnern von Bagnoregio, 6. September 2009
Erforschung der göttlichen Gegenwart
Und da Christus, der immer Gott war und immer Mensch sein wird, mit seiner Gnade in den Gläubigen eine neue Schöpfung wirkt, wird die Erforschung, der göttlichen Gegenwart zur Betrachtung Christi in der Seele, "wo er wohnt mit den Gaben seiner grenzenlosen Liebe" [...] um am Ende in ihn einzugehen.
Ansprache bei der Begegnung mit den Einwohnern von Bagnoregio, 6. September 2009
Erkenntnisfähigkeit
Der Glaube ist daher die Vollendung unserer Erkenntnisfähigkeit und Teilhabe an der Erkenntnis, die Gott von sich selbst und von der Welt hat; die Hoffnung empfinden wir als Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Herrn, in der die Freundschaft, die uns jetzt schon mit ihm verbindet, zu ganzer Fülle wird. Und die Liebe führt uns ein in das göttliche Leben und lässt uns alle Menschen als Brüder betrachten, gemäss dem Willen unseres gemeinsamen himmlischen Vaters.
Ansprache bei der Begegnung mit den Einwohnern von Bagnoregio, 6. September 2009
Aufmerksamkeit gegenüber dem geistlichen Leben
Dieser heilige Mönch [Symeon der Neue Theologe] der Ostkirche ruft uns alle zu einer Aufmerksamkeit gegenüber dem geistlichen Leben, der Verborgenen Gegenwart Gottes in uns, der Aufrichtigkeit des Gewissens und der Läuterung, der Umkehr des Herzens auf, so dass der Heilige Geist in uns wirklich gegenwärtig werde und uns leite, wenn wir uns nämlich zu recht um unser leibliches, menschliches und intellektuelles Wachstum kümmern, so ist es noch wichtiger, das innere Wachstum nicht zu vernachlässigen, das in der Kenntnis Gottes besteht, in der wahren Kenntnis, die nicht nur aus den Büchern gelernt wird, sondern innerlich und in der Gemeinschaft mit Gott, um in jedem Augeblick und in jeder Situation seine Hilfe zu erfahren.
Generalaudienz, 16. September 2009
Gott hat sich gezeigt
Wir tasten nicht im Dunkeln. Wir suchen nicht vergeblich herum, was das rechte sein könnte. Wir sind nicht wie Schafe ohne Hirten, die nicht wissen, wo der rechte Weg ist. Gott hat sich gezeigt. Er selbst weist uns den Weg. Wir kennen seinen Willen und damit die Wahrheit, auf die es in unserem Leben ankommt.
Predigt bei der Eucharistiefeier mit dem "Ratzinger-Schülerkreis", 30. August 2009
über kleine Wunder staunen lernen
Jede Erkenntnis, auch die einfachste, ist immer ein kleines Wunder, weil sie sich mit den materiellen Mitteln, die wir anwenden, nie vollständig erklären lässt. In jeder Wahrheit steckt mehr, als wir selbst es uns erwartet hätten, in der Liebe, die wir empfangen, ist immer etwas für uns überraschendes. Wir sollten niemals aufhören, angesichts dieser Wunder zu staunen. In jeder Erkenntnis und in jeder Liebeshandlung erlebt die Seele des Menschen ein »Mehr«, das sehr einer empfangenen Gabe gleicht, einer Erhabenheit, zu der wir uns erhöht fühlen.
Caritas in veritate, 29. Juni 2009
Persönlich
Die blosse Kenntnis der Glaubensinhalte ersetzt jedoch niemals die Erfahrung der persönlichen Begegnung mit dem Herrn.
Ansprache beim "Ad-limina"-Besuch der Bischöfe aus Mexiko, 8. September 2005
Grundlage
Die Bildung des christlichen Menschen und die Weitergabe des Glaubens muss unbedingt auf der Grundlage des Gebetes, der persönlichen Freundschaft mit Christus und – in ihm – der Betrachtung des Antlitzes des Vaters erfolgen.
Schreiben bei der Eröffnung der Pastoraltagung der Diözese Rom zum Thema Familie, Lateranbasilika, 6. Juni 2005
In Gaudium et spes
"Christus, Alpha und Omega": So lautet der Titel des Abschnitts, der den ersten Teil der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils beschliesst, die vor 40 Jahren verabschiedet wurde. In diesem bemerkenswerten Textabschnitt, der einige Worte des Dieners Gottes Papst Pauls VI. wieder aufnimmt, lesen wir: "Der Herr ist das Ziel der menschlichen Geschichte, der Punkt, auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte. "Und weiter: "Von seinem Geist belebt und geeint, schreiten wir der Vollendung der menschlichen Geschichte entgegen, die mit dem Plan seiner Liebe zusammenfällt: in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden." (Gaudium et spes, 45). Im Lichte der zentralen Stellung Christi interpretiert die Konstitution Gaudium er spes die Situation des zeitgenössischen Menschen, seine Berufung und Würde wie auch seine verschiedenen Lebensbereiche: Familie, Kultur, Wirtschaft, Politik, internationale Gemeinschaft. Das ist der Auftrag der Kirche gestern, heute und in Ewigkeit: Christus verkünden und bezeugen, damit der Mensch, jeder Mensch, seine Berufung in Fülle verwirklichen kann.
Angelus, 20. November 2005
Christus zum Mittelpunkt machen
Es ist mir ein Herzensanliegen, an dieser Stelle an das Wort zu erinnern, das der hl. Benedikt in seiner Regel anführte, als er die Mönche ermahnte, "der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen" (Kap. 4). In der Tat wurde Paulus durch seine Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus genau dazu veranlasst: Christus zum Mittelpunkt seines Lebens zu machen, indem er alles hinter sich liess zugunsten der erhabenen Erkenntnis seiner Person und seines Geheimnisses der Liebe, und indem er sich dafür einsetzte, Ihn allen Menschen zu verkünden, insbesondere den Heiden, zur Verherrlichung seines Namens (vgl. Röm 1,5). Die Begeisterung für Christus veranlasste ihn, das Evangelium nicht nur mit Worten zu verkünden, sondern mit dem eigenen Leben, das er immer mehr an seinem Herrn ausrichtete.
Besuch in der Patriarchalbasilika St. Paul vor den Mauern, 25. April 2005
Die Gesinnung Jesu
Zum Abschluss dieser Betrachtung möchte ich zwei Worte für unser Leben hervorheben. Vor allem diese Mahnung des Apostels Paulus: "Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht." Lernen, so wie Jesus gesinnt zu sein; uns der Gesinnung Jesu anzugleichen, indem wir auf seine Weise denken, entscheiden und handeln. Wenn wir versuchen, so gesinnt zu sein, wie Jesus gesinnt war, gehen wir diesen Weg. Und wir gehen dann den richtigen Weg. Das zweite Wort ist vom hl. Gregor von Nazianz: "Er, Jesus, hat dich lieb." Dieses zärtliche Wort ist für uns eine grosse Ermutigung und ein Trost, aber auch eine grosse Verantwortung, Tag, für Tag.
Generalaudienz, 26. Oktober 2005
Christus, der Weg des Fortschrittes
Die Geschichte hat ein Ziel und eine Richtung. Die Geschichte geht auf die in Christus geeinte Menschheit und damit auf den vollkommenen Menschen, auf den vollkommenen Humanismus zu. Mit anderen Worten, der hl. Paulus sagt uns: Ja, es gibt Fortschritt in der Geschichte. Es gibt - wenn wir so wollen - eine Evolution der Geschichte. Fortschritt ist all das, was uns Christus und damit der geeinten Menschheit, dem wahren Humanismus annähert. Und daher verbirgt sich in diesen Hinweisen auch eine Weisung für uns: Wir sollen für den Fortschritt arbeiten, was wir ja alle wollen. Wir können es dadurch tun, dass wir für die Annäherung der Menschen an Christus arbeiten; wir können es tun, indem wir uns persönlich Christus angleichen und auf diese Weise in die Richtung des wahren Fortschritts gehen.
Generalaudienz, 4. Januar 2006
Suchen und finden
"Suchen" und "finden": Wir können dem heutigen Abschnitt aus dem Evangelium diese beiden Verben entnehmen und daraus eine grundsätzliche Orientierung für das neue Jahr ableiten, denn wir wollen, dass es eine Zeit der Erneuerung unseres spirituellen Wegs mit Jesus sei, in der Freude, ihn unablässig zu suchen und zu finden. Das wahre Glück liegt nämliche in der Beziehung zu Ihm, den wir dank einer beständigen Ausrichtung unseres Geistes und Herzens treffen und ihm folgen, ihn kennenlernen und lieben können. Jünger Christi sein: Das reicht dem Christen. Die Freundschaft mit dem Meister gewährleistet der Seele tiefen Frieden und innere Ruhe auch in dunklen Stunden und harten Prüfungen. Wenn der Glauben auf finstere Nächte stösst, in denen man die Gegenwart Gottes weder "hört" noch "sieht", versichert uns die Freundschaft Jesu, dass uns in Wirklichkeit nichts jemals von seiner Liebe trennen kann (vgl. Röm 8,39).
Angelus, 15. Januar 2006
Die Quelle erkennen
Es war für Petrus ein langer Weg, der ihn zu einem zuverlässigen Zeugen gemacht hat, zum "Felsen" der Kirche, weil er ständig für das Wirken des Geistes Jesu offen war. Petrus selbst wird sich als "Zeuge der Leiden Christi" bezeichnen, der "auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird" (1 Petr 5,1 ). Wenn er diese Worte schreiben wird, wird er schon alt sein und auf das Ende seines Lebens zugehen, das er mit dem Martyrium beschliessen wird. Dann wird er in der Lage sein, die wahre Freude zu beschreiben und zu zeigen, wo man sie schöpfen kann: Die Quelle ist Christus, den wir mit unserem Schwachen, aber aufrichtigen Glauben lieben und an den wir glauben, trotz unserer Schwäche. Deshalb wird er an die Christen seiner Gemeinde schreiben und sagt auch uns: "Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: eure Heil" (1 Petr 1,8-9).
Generalaudienz, 24. Mai 2006
Glauben als Liebesbeziehung zu Christus
Den eigenen Glauben als Liebesbeziehung zu Christus zu leben bedeutet aber auch die Bereitschaft, auf alles zu verzichten, was eine Leugnung seiner Liebe darstellt. Deshalb hat Jesus zu den Aposteln gesagt: "Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten". Aber welche sind die Gebote Christi? Als Jesus, der Herr, die Menge lehrte, unterliess er es nicht, das Gesetz zu bestätigen, das der Schöpfer in das Herz des Menschen eingeschrieben und dann auf den Tafeln der Zehn Gebote in Worte gefasst hatte. "Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben, ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. Amen, das sage ich euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird auch nicht der kleinste Buchstabe des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist" (Mt 5,17-18). Jesus hat uns aber mit neuer Deutlichkeit den Mittelpunkt gezeigt, der die auf dem Sinai offenbarten göttlichen Gesetze vereint, nämlich die Liebe zu Gott und zum Nächsten: Gott "mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer" (Mk 12,33). Ja, Jesus hat in seinem Leben und in seinem österlichen Geheimnis das ganze Gesetz zur Vollendung geführt. Indem er sich mit uns durch die Gabe des Heiligen Geistes vereint, trägt er mit uns und in uns das "Joch" des Gesetzes, das so zu einer "leichten Last" wird (vgl. Mt 11,30). In diesem Geist fasste Jesus seine Auflistung der inneren Haltungen derjenigen Menschen in Worte, die versuchen, den Glauben in seiner Tiefe zu leben: Selig, die arm sind vor Gott, die Trauernden, die keine Gewalt anwenden, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die Barmherzigen, die ein reines Herz haben, die Frieden stiften, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden... (vgl. Mt 5,3-12).
Predigt bei der Eucharistiefeier in Warschau, 26. Mai 2006
Auf Felsen bauen
Auf Fels bauen bedeutet, sich bewusst zu sein, dass wir Widrigkeiten erfahren werden, Christus sagt: "Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten..." (Mt 7,25). Diese Naturereignisse sind nicht nur ein Bild für die vielfältigen Widrigkeiten des menschlichen Schicksals, sondern in ihnen ist auch der Hinweis enthalten, dass diese normalerweise voraussehbar sind, Christus verspricht nicht, dass über das Haus, das wir bauen, nie ein Unwetter hereinbrechen wird, er verspricht nicht, dass das, was uns am teuersten ist, nicht durch eine zerstörerische Flutwelle fortgerissen wird, er verspricht nicht, dass Stürme nicht das wegfegen werden, was wir oft unter grossen Opfern aufgebaut haben, Christus versteht nicht nur das Streben des Menschen nach einem dauerhaften Haus, sondern kennt auch ganz genau all das, was das Glück des Menschen zerstören kann. Wundert euch also nicht über die Widrigkeiten des Lebens, was immer diese auch sein mögen! Lasst euch nicht durch sie entmutigen! Ein auf Fels gebautes Haus ist nicht gleichbedeutend mit einem Bau, der dem Spiel der Naturgewalten entzogen ist, die in das Geheimnis des Menschen eingeschrieben sind. Auf Fels bauen bedeutet, die Gewissheit zu haben, dass es in schwierigen Zeiten eine sichere Kraft gibt, auf die man sich verlassen kann.
Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen in Krakau, 27. Mai 2006
Der Angst entgegentreten
Die Angst vor Misserfolg kann gelegentlich ein Hemmnis auch für die schönsten Träume sein, sie kann den Willen lähmen und den Menschen unfähig machen, an die Existenz eines auf Fels gebauten Hauses zu glauben. Sie kann uns einreden, dass die Sehnsucht nach dem Haus lediglich ein Jugendwunsch und kein Projekt für das ganze Leben ist. Gemeinsam mit Jesus sagt zu dieser Angst: "Ein auf Fels gebautes Haus kann nicht einstürzen!" Gemeinsam mit dem hl. Petrus sagt zur Versuchung des Zweifels: "Wer an Christus glaubt, wird nicht zugrunde gehen!" Seid Zeugen der Hoffnung, jener Hoffnung, die sich nicht fürchtet, das Haus des eigenen Lebens aufzubauen, denn sie weiss sicher, dass sie auf das Fundament zählen kann, das nie einstürzen wird: auf Jesus Christus, unseren Herrn.
Ansprache bei der Begegnung mit den Jugendlichen in Krakau, 27. Mai 2006
Das Leben hingeben
Wenn man das Leben nur an sich reissen will, dann wird es immer leerer, immer ärmer; schliesslich sucht man leicht Zuflucht in den Drogen, in der grossen Illusion. Und Zweifel kommen auf, ob es letztendlich wirklich gut ist zu leben. Nein, auf diese Weise finden wir das Leben nicht. [...] Das Leben findet man nur, wenn man es hingibt; man findet es nicht, wenn man es an sich reissen will. Das müssen wir von Christus lernen; und das lehrt uns der Heilige Geist, der reines Geschenk ist, der die Hingabe Gottes ist. Je mehr man sein Leben für die anderen, für das Gute, hingibt, desto voller strömt der Fluss des Lebens.
Predigt bei der Pfingstvigil, 3. Juni 2006
Demütiges Gebet und hochherzige Verfügbarkeit
Es muss [...] betont werden, dass eine wahre Erkenntnis der Liebe Gottes nur im Rahmen einer Haltung demütigen Gebets und hochherziger Verfügbarkeit möglich ist. Ausgehend von dieser inneren Haltung wird der Blick auf die von der Lanze durchbohrte Seite zur stillen Anbetung. Der Blick auf die durchbohrte Seite des Herrn, aus der "Blut und Wasser" fliessen (vgl. Joh 9, 34), hilft uns, die Fülle der aus ihr hervorströmenden Gnadengaben zu erkennen (vgl. Haurietis aquas, 34), und macht uns offen für alle anderen Formen christlicher Frömmigkeit, die in der Herz-Jesu-Verehrung mit eingeschlossen sind.
Brief an der Generaloberen der Gesellschaft Jesu, 15. Mai 2006
Wahres Kennenlernen
Auch zu uns sagt er [Philippus], was er zu Natanaël gesagt hat: "Komm und sieh". Der Apostel verpflichtet uns, Jesus aus der Nähe kennenzulernen. In der Tat braucht die Freundschaft, das wahre Kennenlernen des anderen, die Nähe, ja teilweise lebt sie sogar von ihr. Im übrigen darf man nicht vergessen, dass – nach den Worten des Markus – Jesus die Zwölf hauptsächlich mit der Absicht auswählte, sie "bei sich haben" zu wollen (Mk 3,14), dass sie also sein Leben mit ihm teilen und direkt von ihm nicht nur seine Verhaltensweise lernen sollten, sondern vor allem, wer er wirklich ist. Denn nur so, durch die Teilnahme an seinem Leben, konnten sie ihn kennenlernen und dann verkünden. Später wird man im Brief des Paulus an die Epheser lesen, dass es darauf ankommt, "Christus zu lernen" (vgl. Eph 4,20), also nicht nur und nicht in erster Linie seine Lehre, seine Worte zu hören, sondern vielmehr in persönlich, also sein Menschsein und seine Göttlichkeit, sein Geheimnis und seine Schönheit kennenzulernen. Denn er ist nicht nur ein Lehrmeister, sondern ein Freund, ja ein Bruder. Wie könnten wir ihn wirklich kennenlernen, wenn wir fern von ihm blieben? Die enge Beziehung, die Verbundenheit, die Vertrautheit lassen uns die wahre Identität Jesu Christi entdecken. Und eben daran erinnert uns der Apostel Philippus. So lädt er uns ein, zu "kommen" und zu "sehen", das heisst, Tag für Tag mit Jesus in eine Verbindung des Zuhörens, des Antwortgebens und der Lebensgemeinschaft einzutreten.
Generalaudienz, 6. September 2006
Sehen und Finden Gottes in Jesus
Wir wollen [...] das Ziel, auf das unser Leben ausgerichtet sein soll, in Erinnerung rufen: Jesus so zu begegnen, wie ihm Philippus begegnet ist, indem wir versuchen, in ihm Gott selbst, den himmlischen Vater, zu sehen. Wäre dieses Bemühen nicht vorhanden, so würden wir wie in einem Spiegel immer nur auf uns selbst zurückgeworfen und wären immer einsamer! Philippus hingegen lehrt uns , uns von Jesus ergreifen zu lassen, bei ihm zu sein und auch andere zur Teilhabe an dieser unverzichtbaren Gemeinschaft einzuladen – und im Sehen, im Finden Gottes das wahre Leben zu finden.
Generalaudienz, 6. September 2006
Christus kennen, um Gott zu sehen
"Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen". Ja, liebe Brüder und Schwestern, um "Gott zu sehen", muss man Christus kennen und sich von seinem Geist formen lassen, der die Gläubigen "in die ganze Wahrheit" führt (vgl. Joh 16,13). Wer Jesus begegnet, wer sich von ihm anziehen lässt und bereit ist, ihm bis zum Opfer des eigenen Lebens nachzufolgen, der erfährt persönlich – wie Er selbst es am Kreuz erfahren hat -, dass nur "das Weizenkorn", das in die Erde fällt und stirbt "reiche Frucht" bringt (vgl. Joh 12,24). Das ist der Weg Christi der Weg der vollkommenen Liebe, die den Tod besiegt: Wer ihn geht und "sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben" (Joh 12,25). Das heisst, er lebt bereits auf dieser Erde in Gott, vom Glanz seines Antlitzes angezogen und verwandelt. Dies ist die Erfahrung der wahren Freunde Gottes, der Heiligen, die in den Brüdern, besonders in den ärmsten und bedürftigsten, das Antlitz jenes Gottes erkannten und liebten, den sie im Gebet lange Zeit liebevoll betrachtet haben. Sie sind für uns ermutigende Vorbilder, die wir nachahmen sollen; sie versichern uns, dass auch wir, wenn wir in Treue diesen Weg – den Weg der Liebe – gehen, uns satt sehen werden an Gottes Gestalt, wie der Psalmist sagt (vgl. Ps17,15).
Ansprache bei Besuch des Heiligtums von Manoppello, 1. September 2006
Reine Hände und ein lauteres Herz
Um also in Gemeinschaft zu treten mit Christus und sein Antlitz zu betrachten, um das Antlitz des Herrn zu erkennen in dem der Brüder und in den alltäglichen Begebenheiten, sind "reine Hände und ein lauteres Herz" vonnöten. Reine Hände, das heisst ein Leben, das erleuchtet ist von der Wahrheit der Liebe, die Gleichgültigkeit, Zweifel, Lüge und Eigensucht besiegt; und darüber hinaus ist ein lauteres Herz notwendig, ein Herz, das ergriffen ist von der göttlichen Schönheit, wie die kleine Theresia von Lisieux in ihrem Gebet an das Heilige Antlitz sagt, ein Herz, dem das Antlitz Christi eingeprägt ist.
Ansprache bei Besuch des Heiligtums von Manoppello, 1. September 2006
Persönliche Beziehung
In unserer Beziehung zu Jesus dürfen wir uns nicht allein mit Worten zufriedengeben. In seiner Antwort richtet Philippus eine bedeutsame Einladung an Natanaël: "Komm und sieh!" (Joh 1,46b). Unsere Kenntnis von Jesus bedarf vor allem einer lebendigen Erfahrung: Das Zeugnis der anderen ist sicherlich wichtig, da ja in der Regel unser ganzes christliches Leben mit der Verkündigung beginnt, die durch einen oder mehrere Zeugen zu uns gelangt. Aber dann müssen wir es selbst sein, die persönlich in eine innige und tiefe Beziehung zu Jesus hineingenommen werden.
Generalaudienz, 4. Oktober 2006
Mit ihm - von innen her
Die Gesinnungen Jesu Christi lernen wir, wenn wir mit ihm mitdenken lernen und so auch sein Scheitern mitdenken lernen und sein Hindurchgehen durch das Scheitern, das Grösserwerden seiner Liebe im Scheitern. Wenn wir in diese seine Gesinnungen eintreten, anfangen, uns in sie einzuüben, dass wir wie er und mit ihm denken, dann erwacht in uns die Freude an Gott, die Zuversicht, dass er dennoch der Stärkere ist, ja, wir dürfen sagen: die Liebe zu ihm. Wir spüren, wie gut es ist, dass er ist und dass wir ihn kennen dürfen - dass wir ihn im Angesicht Jesu Christi der für uns gelitten hat, kennen. Ich denke, dies ist das Erste: dass wir selber in lebendige Berührung mit Gott treten - mit dem Herrn Jesus, dem lebendigen Gott; dass in uns das Organ für Gott stärker wird, dass wir das Empfinden seiner Köstlichkeit selber in uns tragen. Und das beseelt dann unser Wirken. Denn die Gefahr besteht ja auch für uns: Man kann ganz viel tun, Kirchliches tun, alles für Gott tun..., und dabei bleibt man ganz bei sich selber und kommt Gott gar nicht über den Weg. Engagement ersetzt den Glauben, aber dann wird es von innen her leer. Ich glaube, darum sollten wir uns vor allem bemühen: im Hinhören auf den Herrn. Im Beten, im inwendigen Mitsein bei den Sakramenten, im Suchen Gottes im Gesicht und im Leiden der Menschen seine Gesinnungen zu erlernen, um von seiner Freude, von seinem Eifer, von seiner Liebe angesteckt zu werden uns so mit ihm von ihm her die Welt anzublicken.
Predigt bei der heiligen Messe mit den Schweizer Bischöfen, 7. November 2006
Kennenlernen...
Es ist [...] notwendig zum Schöpfergott, zu dem Gott, der die Schöpferischen Vernunft ist, zurückzukehren und dann Christus zu finden, der das lebendige Antlitz Gottes ist. Wir sagen, dass es hier eine Wechselseitigkeit gibt. Einerseits ist da die Begegnung mit Jesus, mit dieser menschlichen, geschichtlichen, realen Gestalt; sie hilft mir, allmählich Gott kennenzulernen; und andererseits hilft mir das Kennenlernen Gottes, die Grösse des Geheimnisses Christi, der das Angesicht Gottes ist, zu verstehen. Erst dann, wenn es uns gelingt zu begreifen, dass Jesus nicht ein grosser Prophet, nicht eine der religiösen Persönlichkeiten der Welt, sondern das Angesicht Gottes ist, ja Gott ist, haben wir die Grösse Christi entdeckt und den gefunden, der Gott ist. Gott ist nicht bloss ein ferner Schatten, eine "erste Ursache", sondern er hat ein Antlitz: Es ist das Angesicht der Barmherzigkeit, das Angesicht der Vergebung und der Liebe, das Angesicht der Begegnung mit uns.
Begegnung mit dem Priestern der Diözese Rom, 22. Februar 2007
Nicht aus zweiter Hand
Um in der Treue zum Menschen zu wachsen, der nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers geschaffen ist, müssen wir kohärent tiefer in das Geheimnis Christi eindringen und dessen Heilsbotschaft verkünden, wir müssen alles daransetzen, um die Gestalt Jesu immer besser kennenzulernen, um von ihm nicht nur eine Kenntnis "aus zweiter Hand" zu haben, sondern eine Kenntnis durch die Begegnung im Gebet, in der Liturgie, in der Liebe zu Nächsten. Sicher handelt es sich um eine schwierige Aufgabe, aber die Worte des Herrn gereichen uns zum Trost: "Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Der Herr ist bei uns, auch heute, morgen, bis zum Ende der Welt! Möge euer Zeugnis für das Evangelium somit intensiver werden, damit die Christen, geführt vom Heiligen Geist, der in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen wie in einem Tempel wohnt (vgl.1. Kor 3,16-17), in allen Bereichen lebendige Zeichen der übernatürlichen Hoffnung seien. Unsere von so vielen Ängsten und Problemen geprägte Zeit bedarf der Hoffnung. Und unsere Hoffnung stammt von der Verheissung des Herrn und von seiner Gegenwart.
"Ad-limina"-Besuch der italienischen Bischöfe aus der Lombardei, 7. Februar 2007
Christus erkennen indem man die Wahrheit lebt
Gott schenkt dem Menschen die Vernunft, so sagt er uns, und er hilft uns, durch die Gabe des Glaubens, die Wahrheit zu erkennen und das ewige Leben zu erlangen. Vernunft und Glauben sind die beiden Flügel, die uns zusammen zu Gott hinauf, zur Wahrheit und zum wirklichen Leben tragen. Klemens legt dabei aber Wert darauf, dass die Erkenntnis, die der Glaube uns schenkt, eben nicht nur Denken und Erkennen ist. Die Wahrheit erkennen, Christus erkennen kann man nur, indem man die Wahrheit liebt, indem man Christus liebt. Wahrheit und Liebe, die Wahrheit und das Gute gehen ineinander, und indem wir der Wahrheit gemäss leben, indem wir recht leben, Christus gemäss leben, erkennen wir auch. Und nur indem wir Erkennende werden, werden wir auch recht leben. Die Überwindung der Leidenschaften, der falschen Leidenschaften ist das eine, das andere ist, dass wir dann die wahre Leidenschaft, die Leidenschaft der Liebe, die Leidenschaft für Christus und für Gott gewinnen und so zu rechten Menschen werden.
Generalaudienz, 18. April 2007
Glaube und Vernunft
Glaube und Vernunft gehören zusammen, Glaube ohne Vernunft wäre kein wahrhaft menschlicher Glaube. Vernunft ohne Glaube wird führungslos und kann nur zur Selbstzerstörung des Menschen führen. Gerade in unserer Zeit der Begegnung der Kulturen ist dieses Miteinander von Glaube und Vernunft von entscheidender Bedeutung, das wir immer neu lernen und vertiefen und als unsere Sendung für das persönliche Leben eines jeden sowie als unseren Auftrag für die Welt in dieser Stunde auffassen wollen.
Generalaudienz, 18. April 2007
Gebet
In seinen Predigten und theologischen Werken kommt er [Origenes (Kirchenschriftsteller 2./3. Jahrhundert)] immer wieder auf das Gebet zu sprechen, denn er ist überzeugt, dass der Mensch durch das betende Betrachten der Person Christi und der Heiligen Schrift in eine fruchtbare Liebesgemeinschaft mit seinem Schöpfer und Erlöser eintritt, dass die Schrift sich letztlich nur aufschliesst, wenn wir sie im Gespräch mit Christus und in der Liebe zu ihm lesen, weil nur die Liebe letztlich verstehen lehrt. So wie wir einen Menschen, nur wenn wir ihn mögen, letztlich verstehen können, so können wir auch das Wort Christi und ihn selbst nur verstehen, wen wir in der Liebe auf dem Weg zu ihm sind. Dieser Liebe entspringt dann die wirkliche Erkenntnis Gottes.
Generalaudienz, 2. Mai 2007
Ohne Erkenntis Christi bleibt alles ein Rätsel
Wer kennt Gott? Wie können wir ihn kennenlernen? [...] Für den Christen ist der Kern der Antwort einfach: Nur Gott kennt Gott, nur sein Sohn, der Gott von Gott, wahrer Gott ist, kennt ihn. Und er, "der am Herzen des Vaters ruht, hat Kunde [von ihm] gebracht" (Joh 1,18). Daher rührt die einzige und unersetzliche Bedeutung Christi für uns, für die Menschheit. Wenn wir nicht Gott in Christus und durch Christus kennen, verwandelt sich die ganze Wirklichkeit in ein unerforschliches Rätsel; es gibt keinen Weg, und da es keinen Weg gibt, gibt es weder Leben noch Wahrheit.
Ansprache bei der V. Generalversammlung der Bischofskonferenzen von Lateinamerika, 13. Mai 2007
Das Licht Christi leuchten lassen
Wir Christen müssen uns unserer Aufgabe bewusst sein, Europa und der Welt die Stimme dessen zu geben, der gesagt hat: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben" (Joh 8,12). Es ist unsere Aufgabe, vor den Männern und Frauen von heute das Licht Christi leuchten zu lassen: nicht das eigene Licht, sondern das Licht Christi. Erbitten wir von Gott die Einheit und den Frieden für die Menschen in Europa und erklären wir unsere Bereitschaft, für eine wahre gesellschaftliche Entwicklung des Kontinents in Ost und West zusammenzuarbeiten.
Botschaft anlässlich der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu, 20. August 2007
Haben wir Zeit und Raum für Gott?
Johannes hat in seinem Evangelium die kurze Notiz des heiligen Lukas über die Situation in Betlehem ins Grundsätzliche vertieft: ""Er kam in sein Eigentum, und die Seinigen nahmen ihn nicht auf ""(Joh 1,11). Das betrifft zunächst Betlehem: Der Davidssohn kommt in seine Stadt, aber er muss im Stall geboren werden, weil in der Herberge kein Platz ist für ihn. Es gilt für Israel: Der Gesandte kommt zu den Seinigen, aber man will ihn nicht. Es gilt für die Menschheit: Der, durch den die Welt geworden ist, das schöpferische Urwort tritt in die Welt herein, aber es wird nicht gehört, wird nicht angenommen. Diese Worte gehen uns an, jeden einzelnen und die Gesellschaft als ganze. Haben wir Zeit für den Nächsten, der mein Wort, meine Zuwendung braucht? Für den Leidenden, der Hilfe nötig hat? Für den Vertriebenen oder Heimatlosen der Herberge sucht? Haben wir Zeit und Raum für Gott? Kann er hereintreten in unser Leben? Findet er Raum bei uns, oder haben wir alle Räume unseres Denkens, Handelns, Lebens für uns selbst besetzt?
Homilie bei der Mitternachtsmette, 25. Dezember 2007
Die Erkenntnis des menschgewordenen Gottes
Die Israeliten haben die Kenntnis der Gebote Gottes nicht als Last, als Joch auf ihrem Schultern angesehen, sondern als grosses Geschenk: in der Nacht der Welt wissen sie, wer Gott ist, wo sie hingehen müssen und was der Weg des Lebens ist. Im Hinblick auf dieses Wort ist es für uns Christen noch viel bedeutender zu wissen, dass das Wort Gottes nicht mehr nur blosses Gebot ist, sondern Geschenk jener Liebe, die in Christus Mensch geworden ist. Wir können wahrhaft ausrufen: Danke Herr, dass du uns das Geschenk gemacht hast, dich zu kennen: wer dich in Christus kennt, lernt auf diese Weise das lebendige Wort kennen, und er erkennt im Dunklen, inmitten der vielen Rätsel dieser Welt und inmitten der vielen unlösbaren Probleme den Weg, den er beschreiten muss. Woher wir kommen, was das leben ist, wozu wir berufen sind.
Ich denke, dass uns zusammen mit dem Dank für diese Erkenntnis und dieses Geschenk - die Erkenntnis des menschgewordenen Gottes - auch unmittelbar der Gedanke kommen muss: Das muss ich den anderen mitteilen, denn auch sie sind auf der Suche, auch sie wollen ein gutes Leben führen, auch sie dürsten danach, den rechten Weg zu finden, und sie finden ihn nicht. Eine um so grössere Gnade und auch Verpflichtung ist es, Jesus zu kennen und die Gnade zu haben, von ihm berufen zu sein, um den anderen zu Helfen, dass auch sie Gott voll Freude danken können und dass ihnen die Gnade der Erkenntnis zuteil wird: Wer bin ich, woher komme ich, wohin gehe ich?
Ansprache an die Seminaristen im Römische Priesterseminar, 1. Februar 2008
Christus: ein "Bild" Gottes
Gott hat sich selbst ein "Bild" gegeben: im menschgewordenen Christus. In ihm, dem Gekreuzigten, ist die Verneinung falscher Gottesbilder bis zum äussersten gesteigert. Nun zeigt Gott gerade in der Gestalt des Leidenden, der die Gottverlassenheit des Menschen mitträgt, sein eigenes Gesicht. Dieser unschuldig Leidende ist zur Hoffnungsgewissheit geworden: Gott gibt es, und Gott weiss, Gerechtigkeit zu schaffen auf eine Weise, die wir nicht erdenken können und die wir doch im Glauben ahnen dürfen. Ja, es gibt die Auferstehung des Fleisches.
Spe salvi 43, 30. November 2007
Das wahre Bild wiederfinden
Jetzt kehren wir zurück zur Erkenntnis des Gottes, der Mensch geworden ist, wie uns der Brief an die Epheser sagt, ist er das wahre Bild. Und in diesem wahren Bild sehen wir - über den äusseren Schein hinaus, der die Wahrheit verbirgt - die Wahrheit selbst: "Wer mich sieht, sieht den Vater." In diesem Sinne würde ich sagen, dass wir mit viel Achtung und viel Ehrfurcht eine christlichen Kunst wiederfinden können und dass wir auch die wesentlichen und grossen Darstellungen des Geheimnisses Gottes in der ikonographischen Tradition der Kirche wiederfinden können. Und so werde wir das wahre Bild wiederentdecken können, das vom äusseren Schein verdeckt ist.
Ein wirklich wichtiges Werk der christlichen Erziehung ist die Befreiung für das Wort Gottes hinter den Worten, die immer wieder aufs Neue Räume der Stille, der Betrachtung, der Vertiefung, der Enthaltsamkeit, der Disziplin verlangt. Sie ist auch eine Erziehung zum wahren Bild, zur Wiederentdeckung der grossen Ikonen, die im Laufe der Geschichte in der Christenheit geschaffen wurden: Mit Demut befreit man sich von oberflächlichen Bildern. Diese Art des Ikonoklasmus ist stets notwendig, um das göttliche Bild wiederzuentdecken, die wesentlichen Bilder, die die leibliche Gegenwart Gottes zum Ausdruck bringen.
Audienz für die Pfarrer und den Klerus der Diözese Rom, 7. Februar 2008
Barmherzigkeit: Wesenskern der Botschaft des Evangeliums
Die Barmherzigkeit ist in Wirklichkeit der Wesenskern der Botschaft des Evangeliums, sie ist der Name Gottes selbst, das Antlitz, mit dem er sich im Alten Bund und vollends in Jesus Christus offenbart hat, der menschgewordenen Schöpfer - und Erlöserliebe, diese erbarmende Liebe erhellt auch das Antlitz der Kirche, und sie wird durch die Sakramente, insbesondere durch das Sakrament der Versöhnung, wie auch durch die gemeinschaftlichen und individuellen Werke der Nächstenliebe sichtbar. Alles, was die Kirche sagt und vollbringt, zeigt die Barmherzigkeit, die Gott dem Menschen entgegenbringt und somit jedem von uns.
Regina Caeli, 30. März 2008
Christus betrachten
"Ich bin erstanden und bin noch und immer bei dir." Diese Worte laden uns ein, den auferstandenen Christus zu betrachten, indem wir seine Stimme in unserem Herz widerhallen lassen. Mit seinem Erlösungsopfer hat Jesus von Nazareth uns zu Kindern Gottes gemacht, so dass nun auch wir uns in den geheimnisvollen Dialog zwischen Ihm und dem Vater einbringen können.
Botschaft vor dem Segen "Urbi et Orbi", 23. März 2008
Die Begegnung mit dem auferstanden Herrn
"Der Herr ist wirklich Auferstanden!" Das war es, was die Elf den Emmausjüngern antworteten, die Jesus erkannten, als er das Brot brach, und dann nach Jerusalem zu ihnen zurückgeeilt waren (vgl. Lk 24,33-40). Ihre Begegnung mit dem auferstandenen Herrn verwandelte ihre Trauer in Freude, ihre Enttäuschung in Hoffnung. Das Zeugnis ihres Glaubens weckt in uns die feste Überzeugung, dass Christus in unserer Mitte lebt und uns jene Gaben gewährt, die es uns ermöglichen Boten der Hoffnung in der heutigen Welt zu sein. Die wahre Quelle des Liebesdienstes der Kirche, die bemüht ist, das Leid der Armen und Schwachen zu lindern, kann in ihrem unerschütterlichen Glauben gefunden werden, dass der Herr Sünde und Tod endgültig besiegt hat und sie durch den Dienst an ihren Brüdern und Schwestern dem Herrn selbst dient, bis er kommt in Herrlichkeit.( Vgl. Mt 25,31; Deus caritas est, 19).
Ansprache für die Mitglieder der "Papal Foundation", 4. April 2008
Die Dynamik des Menschseins verstehen
Gott hat in Jesus Christus wirklich die Ganzheit des Menschseins angenommen - natürlich ausgenommen die Sünde-, also auch einen menschlichen Willen. Und so ausgedrückt, scheint klar zu sein: Christus ist entweder Mensch, oder er ist es nicht. Wenn er Mensch ist, hat er auch einen Willen. Aber da entsteht das Problem: Verfällt man so nicht in eine Art von Dualismus? Kommt man nicht dazu, zwei vollständige Persönlichkeiten zu behaupten: Vernunft, Wille, Gefühl? Wie kann man den Dualismus überwinden, die Vollständigkeit des Menschen erhalten und trotzdem die Einheit der Person Christi, der nicht schizophren war, bewahren?
Und der Hl. Maximus beweist, dass der Mensch seine Einheit, die Integration seiner selbst, seine Ganzheit nicht in sich selbst findet. Sondern dadurch, dass er sich selbst überwindet, aus sich selbst herausgeht. So auch in Christus: der Mensch findet, indem er aus sich herausgeht, in Gott, im Sohn Gottes sich selbst. Man darf nicht den Menschen amputieren, um die Menschwerdung Gottes zu erklären: man muss nur die Dynamik des Menschseins verstehen, das nur im herausgehen aus sich selbst verwirklicht wird, nur in Gott finden wir uns selbst, unsere Ganzheit und Vollständigkeit.
Generalaudienz, 25. Juni 2008
Jesus mit dem Herzen kennen
Vor der Verklärung fragt er die Apostel: "Für wen halten mich die Leute?" und "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" Die Leute kennen ihn, aber nur oberflächlich; sie wissen Verschiedenes über ihn, haben ihn aber nicht wirklich erkannt. Die Zwölf hingegen haben dank der Freundschaft, die auch das Herz einbezieht, zumindest im Wesentlichen begriffen und zu erkennen begonnen, wer Jesus ist. Auch heute gibt es diese unterschiedliche Art der Kenntnis: Es gibt gelehrte Personen, die Jesus in vielen seiner Details kennen, und einfache Menschen, die nichts von diesen Details wissen, aber ihn in seiner Wahrheit erkannt haben: "Das Herz spricht zum Herzen". Und Paulus will im Wesentlichen sagen, dass er Jesus eben so mit dem Herzen, kennt und auf diese Weise das Wesen der Person in ihrer Wahrheit kennt; und dass er dann, in einem zweiten Schritt, deren Einzelheiten kennt.
Generalaudienz, 8. Oktober 2008
Jesus ist heute mit uns
Der hl. Paulus denkt nicht als Historiker an Jesus, gleichsam als eine Person der Vergangenheit. Er kennt gewiss die grosse Überlieferung über das Leben, die Worte, den Tod und die Auferstehung Jesu, behandelt dies alles aber nicht als Sache der Vergangenheit; er stellt es als Wirklichkeit des lebendigen Jesus vor. Die Worte und Taten Jesu gehören für Paulus nicht zur historischen Zeit, zur Vergangenheit. Jesus lebt jetzt und spricht jetzt mit uns und er lebt für uns. Das ist die Wahre Art und Weise, Jesus zu kennen und die Überlieferung über ihn anzunehmen. Auch wir müssen lernen, Jesus nicht nach dem Fleisch zu kennen, als eine Person der Vergangenheit, sondern als unseren Herrn und Bruder, der heute mit uns ist und uns zeigt, wie wir leben und sterben sollen.
Generalaudienz, 8. Oktober 2008
Geistliche Männer und Frauen sein
Um die geistlichen Dinge zu erkennen und zu verstehen, müssen wir geistliche Männer und Frauen sein, denn wenn man fleischlich ist, fällt man unvermeidlich in die Torheit zurück, auch wenn man viel studiert und „ein Weiser“ und „Wortführer in dieser Welt“ (vgl.1 Kor 1,20) wird.
Ansprache nach Eucharistiefeier für die kirchlichen Universitäten Roms, 30. Oktober 2008
Die Weisheit der Welt oder die göttliche Weisheit
Diese Gegenüberstellung der beiden Formen der Weisheit kann nicht mit dem Unterschied zwischen der Theologie auf der einen und der Philosophie und den Wissenschaften auf der anderen Seite gleichgesetzt werden. Es handelt sich vielmehr um zwei grundsätzliche Einstellungen. Die „Weisheit dieser Welt“ bedeutet eine Art zu leben und die Dinge zu sehen, die auf Gott keine Rücksicht nimmt und den Massstäben des Erfolgs und der Macht gehorchend der herrschenden Meinung folgt. Die „göttliche Weisheit“ besteht darin, dem Geist Christi zu folgen – Christus öffnet uns die Augen des Herzens, um dem Weg der Wahrheit und der Liebe zu folgen.
Ansprache nach Eucharistiefeier für die kirchlichen Universitäten Roms, 30. Oktober 2008