Christliche Kultur




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Durch den Glauben bleibt die Kultur lebendig
Ergreifende Menschlichkeit, Glaubenseifer, tiefe Demut durchdringen die Gesänge des Romanus Melodus. Dieser grosse Dichter und Komponist bringt uns den ganzen Schatz der christlichen Kultur in Erinnerung, die aus dem Glauben entstanden ist und die aus dem Herzen hervorgeht, das Christus, dem Sohn Gottes, begegnet ist. Aus diesem Kontakt des Herzens mit der göttlichen Wahrheit, die Liebe ist, entsteht die Kultur, und aus ihm ist die gesamte grosse christliche Kultur entstanden. Und wenn der Glaube lebendig bleibt, wird auch dieses kulturelle Erbe nicht zu etwas Totem, sondern bleibt lebendig und gegenwärtig. Die Ikonen sprechen auch heute zum Herzen der Gläubigen, sie sind nicht etwas Vergangenes. Die Kathedralen sind keine mittelalterlichen Monumente, sondern Wohnstätten des Lebens, wo wir uns "zu Hause" fühlen: Wir begegnen Gott und wir begegnen einander. Auch die grosse Musik - der Gregorianische Choral oder Bach oder Mozart - ist keine Sache der Vergangenheit, sondern lebt von der Lebendigkeit der Liturgie und unseres Glaubens. Wenn der Glaube lebendig ist, wird die christliche Kultur nicht zu etwas "Vergangenem", sondern bleibt lebendig und gegenwärtig. Und wenn der Glaube lebendig ist, können wir auch heute dem Gebot entsprechen, das in den Psalmen immer wieder anklingt: "Singt dem Herrn ein neues Lied. " Kreativität, Innovation, neues Lied, neue Kultur und Gegenwart des ganzen kulturellen Erbes in der Lebendigkeit des Glaubens schliessen sich nicht aus, sondern sind eine einzige Wirklichkeit, sie sind die Gegenwart der Schönheit Gottes und der Freude, seine Kinder zu sein.
Generalaudienz, 21. Mai 2008



Gott bleibt die Grundlage wahrer Kultur
Aber wie damals hinter den vielen Götterbildern die Frage nach dem unbekannten Gott [Apg 17, 23] verborgen und gegenwärtig war, so ist auch die gegenwärtige Abwesenheit Gottes im Stillen von der Frage nach ihm bedrängt. „Quaerere Deum“ – Gott suchen und sich von ihm finden lassen, das ist heute nicht weniger notwendig denn in vergangenen Zeiten. Eine bloss positivistische Kultur, die die Frage nach Gott als unwissenschaftlich ins Subjektive abdrängen würde, wäre die Kapitulation der Vernunft, der Verzicht auf ihre höchsten Möglichkeiten und damit ein Absturz der Humanität, dessen Folgen nur schwerwiegend sein könnten. Das, was die Kultur Europas gegründet hat, die Suche nach Gott und die Bereitschaft, ihm zuzuhören, bleibt auch heute Grundlage wahrer Kultur.
Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der Kultur im Collège des Bernardins in Paris, 12. September 2008



Die eigene Kultur bewahren
Ich bin überzeugt, dass die Nationen nie akzeptieren dürfen, dass das, was ihre eigene Identität ausmacht, verschwindet. Die Tatsache, dass die verschiedenen Mitglieder einer Familie denselben Vater und dieselbe Mutter haben, bedeutet nicht, dass sie sich nicht voneinander unterscheiden: in Wirklichkeit sind es Personen mit einer je eigenen Individualität. Das gleiche gilt für die Länder, die darüber wachen müssen, ihre eigene Kultur zu bewahren und zu entwickeln, ohne sie je von andern vereinnahmen oder in einer farblosen Einförmigkeit untergehen zu lassen.
Ansprache bei der Begegnung mit der Französischen Bischofkonferenz, 14. September 2008



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„Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben...“
Das heutige Evangelium betont gerade das universale Königtum Christi, des Richters, mit dem wunderbaren Gleichnis vom Weltgericht, das der hl. Matthäus unmittelbar vor dem Bericht über die Passion gestellt hat. (25,3-46). Die Bilder sind einfach, die Sprache volksnah, doch die Botschaft ist äusserst wichtig: sie besteht in der Wahrheit über unser letztes Schicksal und über den Massstab, nach dem über uns geurteilt werden wird. „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25,35) und so fort. Wer kennt diesen Abschnitt nicht? Er ist Teil unserer Zivilisation. Er hat die Geschichte der Völker christlicher Kultur gezeichnet: die Hierarchie der Werte, die Institutionen, die vielfältigen wohltätigen und sozialen Werke. In der Tat, das Reich Christi ist nicht von dieser Welt, es bringt aber alles Gute zur Erfüllung, das – Gott sei Dank – im Menschen und in der Geschichte vorhanden ist. Wenn wir dem Evangelium entsprechend die Liebe zu unserem Nächsten in die Tat umsetzen, so machen wir für die Herrschaft Gottes Platz, und sein Reich verwirklicht sich mitten unter uns. Wenn hingegen jeder nur an seine eigenen Interessen denkt, dann kann die Welt nur zugrunde gehen.
Angelus, 23. November 2008