Sünde
Die erste Sünde
Am Anfang ist der Mensch aus den Händen des Schöpfers als Frucht einer Initiative der Liebe hervorgegangen. Die Sünde verdunkelte dann das göttliche Bild in ihm. Vom Bösen getäuscht, verletzten die Stammeltern Adam und Eva das vertrauensvolle Verhältnis zu ihrem Herrn, indem sie der Versuchung des Bösen nachgaben, von dem ihnen der Verdacht eingeflösst worden war, der Herr sie ein Gegner und wolle ihre Freiheit einschränken. So zogen sie sich selbst der ungeschuldeten göttlichen Liebe vor und waren überzeugt, auf diese Weise ihre Willensfreiheit zu behaupten. Die Folge war, dass sie schliesslich ihre ursprüngliche Glückseligkeit verloren und erfuhren, wie bitter die Traurigkeit der Sünde und des Todes ist. Gott verliess sie jedoch nicht und verhiess ihnen und ihren Nachkommen das Heil, indem er die Entsendung seines eingeborenen Sohnes, Jesus, ankündigte, der, als die Zeit erfüllt war, seine väterliche Liebe offenbaren sollte, eine Liebe, die in der Lage ist, jedes menschliche Geschöpf von der Knechtschaft des Bösen und des Todes zu erlösen.
Botschaft zum Weltmissionssonntag, 22. Oktober 2006
Der Blick Jesu
"Wenn du dich wieder bekehrt hast" – dieses Wort ist gleichzeitig Prophezeiung und Verheissung. Es prophezeit die Schwachheit des Simon, der gegenüber einer Magd und einem Knecht leugnen wird, Jesus zu kennen. Durch sein Fallen muss Petrus – und mit ihm jeder seiner Nachfolger – lernen, dass die eigenen Kräfte nicht ausreichen, um die Kirche des Herrn aufzubauen und zu leiten. Niemandem gelingt das nur aus sich heraus. Wie fähig und tüchtig Petrus auch erscheinen mag – er versagt bereits im ersten Augenblick der Prüfung. "Wenn du dich wieder bekehrt hast" – der Herr, der ihm den Fall voraussagt, verspricht ihm auch die Bekehrung: "Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an" (Lk 22,61). Der Blick Jesu bewirkt die Umwandlung und wird für Petrus zur Rettung: "Er ging hinaus und weinte bitterlich" (22,62). Wir wollen immer wieder diesen rettenden Blick Jesu erflehen: für all diejenigen, die in der Kirche Verantwortung tragen, für all diejenigen, die unter den Wirrnissen dieser Zeit leiden, für die Grossen und für die Kleinen: Herr, sieh uns immer wieder an und hebe uns auf diese Weise, jedesmal wenn wir gefallen sind, wieder auf, und nimm uns in deine guten Hände.
Predigt am Hochfest Peter und Paul, 29. Juni 2006
Liebt einander, wie ich euch geliebt habe
"Gott ist die Liebe" (Joh 4,8), der Urgrund allen wahren Liebens. Gott hat diese Liebe nicht irgendwo oben über uns schweben gelassen, sondern er hat sie konkret in die Geschichte hereingetragen, indem er in seinem Sohn Mensch wurde und der menschgewordene Sohn Gottes in der totalen Hingabe am Kreuz sich uns geschenkt hat. Christus, so sagt uns Johannes in seinem ersten Brief, ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für die unseren, sondern für die der ganzen Welt. Dieses Werk der Erlösung durch die göttliche Liebe wirkt durch die Zeiten fort, aber es will Antwort, es will, dass in uns das sich fortsetze. So hat Jesus uns das Gebot gegeben, das er das "neue" nennt: "Wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr einander lieben" (Joh 13,34). Der Massstab ist nicht mehr bloss, den Nächsten "wie sich selbst", sondern die anderen lieben, wie er uns geliebt hat. Das ist das neue Christliche, das wir nie ganz zustande bringen, aber auf das wir wenigstens zugehen wollen.
Generalaudienz, 9. August 2006
Geben wir eine gebührende Antwort?
Gott hat, seine Liebe konkret gezeigt, indem er in die menschliche Geschichte eintrat in der Person Jesu Christi, der für uns Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist. Das ist das zweite grundlegende Moment der Liebe Gottes. Er hat sich nicht auf Worte beschränkt, sondern so können wir sagen, er hat sich wirklich eingesetzt und in eigener Person "bezahlt". Genau wie Johannes schreibt: "Gott hat die Welt (das heisst: uns alle) so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab"(Joh 3,16). Die Liebe Gottes zu den Menschen wird jetzt konkret und offenbart sich in der Liebe Jesu. Weiter schreibt Johannes: Da Jesus "die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung" (Joh 3, 16). Kraft dieser schenkenden und totalen Liebe sind wir ganz losgekauft von der Sünde, wie Johannes schreibt: "Meine Kinder... Wenn aber einer sündigt, haben wir einen Beistand beim Vater: Jesus Christus, den Gerechten. Er ist die Sühne für unsere Sünden, aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt" (1 Joh 2,1-2;vgl 1 Joh1,7). Bis dorthin ging die Liebe Jesu zu uns: bis zum Vergiessen des eigenen Blutes zu unserem Heil! Der Christ, der betrachtend innehält vor diesem "Übermass" der Liebe, muss sich fragen, was die gebührende Antwort ist. Und ich denke, dass sich jeder von uns immer und stets aufs neue diese Frage stellen muss.
Generalaudienz, 9. August 2006
Prüfungen sind zu bestehen
Das Bild der Wüste ist eine sehr aussagekräftige Metapher für den Zustand des Menschen. Das Buch Exodus berichtet von der Erfahrung des Volkes Israel, das nach dem Auszug aus Ägypten vierzig Jahre lang durch die Wüste Sinai wanderte, bevor es das Gelobte Land erreichte. Während dieser langen Reise erlebten die Juden die ganze Kraft und Eindringlichkeit des Versuchers, der sie dazu drängte, das Vertrauen in den Herrn zu verlieren und zurückzugehen; gleichzeitig jedoch lernten sie dank der Mittlerrolle des Mose, auf die Stimme Gottes zu hören, der sie aufrief, sein heiliges Volk zu werden. Wenn wir über diesen Abschnitt der Bibel nachdenken, verstehen wir, dass es zur vollen Verwirklichung des Lebens in Freiheit nötig ist, die Prüfung zu bestehen, die eben diese Freiheit mit sich bringt, nämlich die Versuchung. Nur wenn der Mensch von der Sklaverei der Lüge und der Sünde befreit ist, findet er - dank seines Gehorsams gegenüber dem Glauben, der ihn für die Wahrheit offen macht - den vollen Sinn seiner Existenz und erlangt Frieden, Liebe und Freude.
Angelus, 5. März 2006
Verweigerung
"Ihr seid rein, aber nicht alle", sagt der Herr (Joh 13,10). In diesem Satz offenbart sich das grosse Geschenk der Reinigung, das er uns macht, weil er mit uns zu Tisch sitzen will, weil er unsere Speise werden will. "Aber nicht alle": Es gibt das dunkle Geheimnis der Verweigerung, die mit der Judasgeschichte gegenwärtig wird und uns gerade am Gründonnerstag, dem Tag, an dem sich Jesus schenkt, zum Nachdenken führen muss. Die Liebe des Herrn kennt keine Grenze, aber der Mensch kann ihr eine Grenze setzen.
Predigt in der Heiligen Messe vom letzten Abendmahl, 13. April 2006
Ablehnung der Liebe
"Ihr seid rein, aber nicht alle." Was ist es, das den Menschen unrein macht? Es ist die Ablehnung der Liebe, das Nicht-geliebt-sein-Wollen, das Nicht-Lieben. Es ist der Hochmut, der meint keiner Reinigung zu bedürfen, und der sich der rettenden Güte Gottes verschliesst. Es ist der Hochmut, der nicht bekennen und anerkennen will, dass wir der Reinigung bedürfen. In Judas sehen wir das Wesen dieser Ablehnung noch klarer: Er bewertet Jesus nach den Massstäben von Macht und Erfolg. Nur Macht und Erfolg sind für ihn real, die Liebe zählt nicht. Und er ist habsüchtig: Das Geld ist wichtiger als die Gemeinschaft mit Jesus, wichtiger als Gott und als seine Liebe. Und so wird er auch ein Lügner, der ein doppeltes Spiel spielt und mit der Wahrheit bricht; einer, der in der Lüge lebt und so den Sinn für die höchste Wahrheit - Gott - verliert. Auf diese Weise verhärtet er sich; er wird unfähig, sich zu bekehren und die vertrauensvolle Rückkehr des verlorenen Sohnes anzutreten - und wirft das zerstörte Leben weg.
Predigt bei der Heiligen Messe vom letzten Abendmahl, 13. April 2006
Die Sünde hindert
Dieser [Jesus] sieht ihren Glauben und sagt zum Gelähmten: "Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!" (Mk 2,5). So zeigt er, dass er an erster Stelle den Geist heilen möchte. Der Gelähmte ist ein Sinnbild für jeden Menschen, den die Sünde daran hindert, sich frei zu bewegen, den Weg des Guten zu gehen, sein Bestes zu geben. Wenn das Böse sich nämlich in der Seele einnistet, bindet es den Menschen mit den Fesseln der Lüge, des Zorns, des Neids und anderer Sünden und lähmt ihn dadurch mehr und mehr.
Angelus, 19. Februar 2006
Rechtfertigung
Der Rechtfertigungskonsens bleibt eine grosse und – wie ich meine – noch nicht recht eingelöste Verpflichtung für uns: Rechtfertigung ist ein wesentliches Thema in der Theologie, aber im Leben der Gläubigen heute kaum anwesend, wie mir scheint. Auch wenn durch die dramatischen Ereignisse der Gegenwart das Thema der Vergebung untereinander wieder seine volle Dringlichkeit zeigt – dass wir zuallererst die Vergebung von Gott her, die Gerechtmachung durch ihn brauchen, das steht kaum im Bewusstsein. Dass wir Gott gegenüber ernstlich in Schulden sind, dass Sünde eine Realität ist, die nur von Gott her überwunden werden kann: das ist dem modernen Bewusstsein weithin fremd geworden – und wir alle sind ja irgendwie "modern". Im letzten steht eine Abschwächung unseres Gottesverhältnisses hinter diesem Verblassen des Themas der Rechtfertigung und der Vergebung der Sünden. So wird es wohl unsere allererste Aufgabe sein, den lebendigen Gott wieder in unserem Leben und in unserer Zeit und Gesellschaft neu zu entdecken.
Ansprache bei Ökumenischer Vesper im Regensburger Dom, 12. September 2006
Verfehlungen in der konkreten Art zu lieben
Geduldig erklärt Jesus ihnen [den Aposteln] seine Logik, die Logik der Liebe, die zum Dienst bis zur Selbsthingabe wird: "Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein"(Mk 9,35).
Das ist die Logik des Christentums; sie entspricht der Wahrheit über den als Abbild Gottes geschaffenen Menschen, steht jedoch gleichzeitig im Gegensatz zu seinem Egoismus, der Folge der Erbsünde ist. Jeder Mensch wird von der Liebe angezogen – die im letzten Gott selbst ist -, oft aber unterliegt er Verfehlungen in seiner konkreten Art zu lieben, und so können von einer ursprünglich positiven Meinung, die jedoch von der Sünde verunreinigt ist, böse Absichten und Taten herkommen. Daran erinnert in der heutigen Liturgie auch der Jakobusbrief: "Wo nämlich Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art. Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedlich, freundlich, gehorsam, voll Erbarmen und reich an guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht." Und der Apostel schliesst mit den Worten: "Wo Frieden herrscht, wird (von Gott) für die Menschen, die Frieden stiften, die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut" (Jak 3,16-18).
Angelus, 24. September 2006
Schwinden des persönlichen Sündenbewusstseins
Es überrascht nicht, das dieses Phänomen [das Schwinden des persönlichen Sündenbewusstseins] besonders ausgeprägt ist in Gesellschaften, die gekennzeichnet sind von einer nachaufklärerischen weltlichen Ideologie. Wo Gott aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen wird, verflüchtigt sich das Bewusstsein , Gott zu beleidigen – das eigentliche Sündenbewusstsein. Ebenso verschwinden dann, wenn der absolute Wert der sittlichen Normen relativiert wird, die Kategorien von Gut und Böse zusammen mit der persönlichen Verantwortung.
"Ad-limina"-Besuch der kanadischen Bischöfe der westlichen Kirchenprovinzen, 9. Oktober 2006
Von der Sünde zur Liebe
Auch die Christen können der Welt Hoffnung bringen, weil sie von Christus und von Gott sind, insoweit sie sich mit ihm von der Sünde abwenden und zum neuen Leben der Liebe, der Vergebung, des Dienstes, der Gewaltlosigkeit auferstehen, so wie der hl. Augustinus sagt: "Du hast geglaubt, du bist getauft worden: Das alte Leben ist gestorben, am Kreuz getötet, in der Taufe begraben worden. Das alte Leben, in dem du schlecht gelebt hast, ist begraben worden: das neue Leben möge auferstehen" (Sermo 229/E 9,3). Nur wenn sie wie Christus nicht von der Welt sind, können die Christen Hoffnung in der Welt und für die Welt sein.
Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Verona, 19. Oktober 2006
Der zweite Tod
Mit dem hl. Paulus wissen wir, dass wir, auch wenn wir aus unserem Leib geschieden sind, bei Christus sind, dessen auferstandener Leib, den wir in der Eucharistie empfangen, unsere ewige und unzerstörbare Wohnstatt ist. Der wahre Tod hingegen, den wir fürchten müssen, ist der Tod der Seele, den die Offenbarung den "zweiten Tod" nennt (vgl. Offb 20,14-15; 21,8). Wer nämlich bis zu seinem Tod in der Todsünde verharrt und ohne Reue hochmütig die Liebe Gottes zurückweist, schliesst sich selbst aus dem Reich des Lebens aus.
Angelus, 5. November 2006
Unmögliche Selbstgenügsamkeit
Durch die Falschheit des Bösen hat sich die Menschheit leider von Anfang an der Liebe Gottes verschlossen in der Illusion einer unmöglichen Selbstgenügsamkeit (vgl. Gen 3,1-7). In sich verkrümmt hat sich Adam von Gott, der Quelle des Lebens, entfernt und ist der Erste all derer geworden, "die durch die Furcht vor dem Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen waren" (Hebr 2,15). Gott aber blieb unbesiegbar. Das "Nein" des Menschen war statt dessen der entscheidende Anstoss für die Offenbarung Seiner Liebe in all ihrer erlösenden Kraft.
Botschaft für die Fastenzeit 2007, 21. November 2006
Er weiss, dass es die Sünde gibt
Der Herr weiss, ja wusste von Anfang an, dass es in der Kirche auch die Sünde gibt; und für unsere Demut ist es wichtig, dies zu erkennen und die Sünde nicht nur in den anderen, in den Strukturen, in den Inhabern hoher hierarchischer Ämter zu sehen, sondern auch in uns selbst, um so demütiger zu werden und zu lernen, dass vor dem Herrn nicht die kirchliche Stellung zählt, sondern dass wir in seiner Liebe bleiben und seine Liebe leuchten lassen.
Besuch im Römischen Priesterseminar, 17. Februar 2007
Auf das Böse antworten
Wahre Weisheit liegt vielmehr darin, sich von der Unsicherheit des Daseins in Frage stellen zu lassen und eine Haltung der Verantwortlichkeit anzunehmen: Busse zu tun und uns im Leben zu bessern. Das ist Weisheit, das ist die wirksamste Antwort auf das Böse, auf jeder Ebene: auf der zwischenmenschlichen, sozialen und internationalen. Christus ermahnt, auf das Böse in erster Linie mit einer ernsthaften Gewissenserforschung und mit der Verpflichtung zu antworten, das eigenen Leben zu läutern. Anderenfalls – sagt er – werden wir umkommen, werden wir alle auf dieselbe Weise umkommen. Das einzige letzte Schicksal der Menschen und Gesellschaften, die ein Leben führen, ohne sich je in Frage zu stellen, ist in der Tat der Untergang. Die Umkehr hingegen bewahrt zwar nicht vor Problemen und Unglücksfällen, sie erlaubt es jedoch, ihnen "anders" entgegenzutreten. Vor allem hilft sie dabei, dem Bösen vorzubeugen, indem sie bestimmte von ihm ausgehende Bedrohungen entschärft. Und in jedem Fall erlaubt sie es, das Böse mit dem Guten zu besiegen, wenn auch nicht immer auf der Ebene der Tatsachen – die zuweilen nicht von unserem Willen abhängen -, so doch sicherlich auf der geistlichen Ebene. Kurz gesagt: Die Umkehr besiegt das Böse von der Wurzel her, die die Sünde ist, selbst wenn sie nicht immer seine Folgen vermeiden kann.
Angelus, 11. März 2007
Sinn der Sünde
Wir sehen eine Menschheit, die unabhängig sein will, wo nicht wenige meinen, dass sie Gott nicht brauchen, um gut zu leben; wie viele aber scheinen dazu verurteilt zu sein, dramatischen Situationen einer existentiellen Leere entgegenzutreten; wieviel Gewalt ist da noch auf Erden, wieviel Einsamkeit lastet auf der Seele des Menschen im Zeitalter der Kommunikation! Mit einem Wort, heute ist scheinbar der "Sinn für die Sünde" abhanden gekommen, an dessen Stelle aber haben sich die "Schuldkomplexe" vermehrt. Wer kann das Herz der Menschen vom Joch des Todes befreien, wenn nicht er, der durch seinen Tod die Macht des Bösen mit der Allmacht der göttlichen Liebe für immer besiegt hat?
Ansprache an die Teilnehmer an einem Kurs über das Forum Internum, 16. März 2007
Die Sünde
Der Aussatz , der wirklich den Menschen und die Gesellschaft entstellt, ist in Wahrheit die Sünde; es sind der Stolz und der Egoismus, die im Herzen des Menschen Gleichgültigkeit, Hass und Gewalt erzeugen. Diesen Aussatz des Geistes, der das Antlitz der Menschheit verunstaltet, kann niemand heilen, es sei denn Gott, der die Liebe ist. Wenn der Mensch, der umkehrt, sein Herz Gott öffnet, dann wird er in seinem Innern vom Übel geheilt.
Angelus, 14. Oktober 2007
Die schwere Sünde der Abtreibung
Während dieses Verständnis des christlichen Familienlebens in Afrika breite Resonanz findet, gibt der wachsende Einfluss der globalisierten säkularen Kultur auf die Ortsgemeinschaften als Ergebnis von Kampagnen durch Organe, die die Abtreibung unterstützen, Anlass zu grosser Besorgnis. Diese direkte Vernichtung eines unschuldigen menschlichen Lebens kann niemals gerechtfertigt sein, so schwierig die Umstände auch sein mögen, die einige dahin bringen können, einen so schwerwiegenden Schritt in Betracht zu ziehen. Wenn ihr das Evangelium des Lebens verkündigt, dann erinnert euer Volk daran, dass das Recht auf Leben jedes geborenen oder ungeborenen unschuldigen Menschen absolut ist und für alle Menschen gleichermassen gilt, ohne jegliche Ausnahme. Diese Gleichheit "bildet die Grundlage jeder echten sozialen Beziehung, die, wenn sie wirklich eine solche sein soll, auf der Wahrheit und der Gerechtigkeit gründen muss" (Evangelium vitae,57). Die katholische Gemeinschaft muss jenen Frauen Unterstützung anbieten, die es schwierig finden mögen, ein Kind anzunehmen, vor allem wenn sie von ihrer Familie und ihren Freunden isoliert sind. Ebenso sollte die Gemeinschaft offen sein, all diejenigen wiederaufzunehmen, die es bereuen, sich an der schweren Sünde der Abtreibung beteiligt zu haben, und sollte sie mit pastoraler Liebe dahin führen, die Gnade der Vergebung, die Notwendigkeit der Busse und die Freude, wieder in das neue Leben Christi einzutreten, anzunehmen.
"Ad-limina"-Besuch der Bischöfe aus Kenia, 19. November 2007
Der Mensch hat die Möglichkeit Un-mensch zu sein
Hinter der Fassade des Erfolgs zeigt sich oft in erschütternder Weise, eine leere Existenz : Anscheinend hat der Mensch nichts verloren, aber ihm fehlt die Seele, und mit ihr fehlt alles. Es ist klar [...] dass der Mensch seine Seele nicht im eigentlichen Sinn wegwerfen kann, denn sie ist es, die ihn zum Menschen macht. Er bleibt Mensch, aber er hat die erschreckende Möglichkeit, Un-mensch zu sein, Mensch zu bleiben und doch zugleich sein Menschsein zu verkaufen und zu verlieren. Der Abstand zwischen Mensch und Unmensch ist unfassbar und kann doch nicht bewiesen werden; es ist das eigentlich Entscheidende und doch scheinbar ohne Gewicht.
Predigt beim Bussgottesdienst mit der Jugend von Rom, 13. März 2008
Die Sünde macht den Menschen krank
Die Trennung von Gott, die Sünde macht den Menschen krank. Er leidet an seiner Ich-Bezogenheit, die ihm keinen Raum zum wahren Leben lässt. Christus ist der Arzt, der uns Heilung bringt und uns gesund macht. Er will unser Leben auf Gott und auf die anderen hin öffnen. Nehmen wir seine heilende Liebe in uns auf und schenken wir sie den Menschen um uns weiter. Dann leben wir wirklich.
Angelus, 8. Juni 2008
Anbetung falscher Götter
Ihr mögt vielleicht denken, dass die Menschen in der heutigen Welt wohl kaum anfangen, andere Götter anzubeten. Doch manchmal beten die Menschen "andere Götter" an, ohne es zu merken. Falsche "Götter", welchen Namen, welchen Gestalt oder Form auch immer wir ihnen geben, sind fast immer mit der Anbetung von drei Dingen verbunden: materieller Besitz, possessive Liebe oder Macht. Lasst mich erklären, was ich meine. Materieller Besitz ist in sich selbst gut. Ohne Geld, Kleidung und eine Unterkunft würden wir nicht lange überleben. Wir müssen essen, um am Leben zu bleiben. Doch wenn wir gierig sind, wenn wir uns weigern, das, was wir haben, mit den Hungernden und den Armen zu teilen, dann machen wir unseren Besitz zu einem falschen Gott. Wie viele Stimmen in unserer materialistischen Gesellschaft sagen uns, dass das Glück darin zu finden ist, so viel Besitz und Luxusartikel zu erwerben, wie wir können! Das aber bedeutet, den Besitz zu einem falschen Gott zu machen. Anstatt Leben zu bringen, bringt er Tod.
Ansprache an die Jugendlichen der Wiedereingliederungsgemeinschaft der Universität "Notre Dame", 18. Juli 2008
Liebe kann zu einem falschen Gott gemacht werden
Echte Liebe ist offensichtlich etwas Gutes. Ohne sie wäre das Leben kaum lebenswert, sie erfüllt unsere tiefsten Bedürfnisse, und wenn wir lieben, dann werden wir im vollsten Sinne wir selbst, in vollstem Sinne menschlich.
Doch wie leicht kann die Liebe zu einem falschen Gott gemacht werden! Oft meinen die Menschen zu lieben, wenn sie in Wirklichkeit den anderen besitzen und manipulieren wollen. Manchmal behandeln sie andere als Objekte zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und nicht als Personen, die geliebt und in ehren gehalten werden müssen. Wie leicht kann man sich täuschen lassen von den vielen Stimmen in unserer Gesellschaft, die eine permissive Einstellung zur Sexualität befürworten, ohne Rücksicht auf Anstand, Selbstachtung oder moralische Werte, die den menschlichen Beziehungen ihre Qualität verleihen! Das ist Anbetung eines falschen Gottes. Anstatt Leben zu bringen, bringt es Tod.
Ansprache an die Jugendlichen der Wiedereingliederungsgemeinschaft der Universität "Notre Dame", 18. Juli 2008
Macht kann zu einem falschen Gott werden
Die Macht, die Gott uns gegeben hat, um die Welt um uns herum zu gestalten, ist offensichtlich etwas Gutes. Wenn sie in angemessener Weise und verantwortlich gebraucht wird, macht sie uns fähig, das Leben der Menschen zu verändern. Jede Gemeinschaft braucht gute Leiter. Doch wie gross kann die Versuchung sein, nach der Macht um ihrer selbst willen zu greifen, zu versuchen, andere zu beherrschen oder die natürliche Umwelt für egoistische Zwecke auszubeuten! Das bedeutet, Macht zu einem falschen Gott zu machen. Anstatt Leben zu bringen, bringt es Tod.
Ansprache an die Jugendlichen der Wiedereingliederungsgemeinschaft der Universität "Notre Dame", 18. Juli 2008