Ethik
Echte Entwicklung
Echte Entwicklung verlangt einen koordinierten nationalen Entwicklungsplan, der den legitimen Bestrebungen aller Bereiche der Gesellschaft Rechnung trägt und für den die Führungspersönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft verantwortlich gemacht werden können. Die menschliche Geschichte lehrt uns immer wieder, dass derartige Programme, wenn sie denn eine dauerhafte positive Veränderung bewirken sollen, auf den Schutz der Menschenrechte, einschliesslich der Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten, auf einen verantwortungsvollen und transparenten Regierungsstil und auf die Einhaltung von Recht und Ordnung durch ein unabhängiges Rechtswesen und eine unbescholtene Polizei gegründet sein müssen. Ohne diese Grundlagen bleibt das Erreichen echten Fortschritts eine flüchtige Hoffnung.
An den Botschafter der ehem. Jugoslawischen Rep. Mazedonien, 19. Mai 2005
Normen
Der Urantrieb des Menschen ist [...] sein Wunsch nach Glück und nach einem vollkommen gelungenen Leben. Heutzutage meinen jedoch viele Menschen, dass diese Erfüllung auf vollkommen autonome Weise, ohne jeden Bezug zu Gott und zu seinem Gesetz, erreicht werden müsse. Einige sind so weit gegangen, die Theorie einer absoluten Oberherrschaft der Vernunft und der Freiheit im Bereich der sittlichen Normen aufzustellen: Diese Normen bildeten den Bereich einer rein "menschlichen" Ethik; sie seien demzufolge Ausdruck eines Gesetzes, das der Mensch sich selbst auf autonome Weise gibt. Die Vertreter dieser "laizistischen Moral" behaupten, dass der Mensch als vernunftbegabtes Wesen den Wert seines Verhaltens nicht nur frei bestimmen "kann", sondern das geradezu tun "muss".
Ansprache für die Mitglieder der Päpstlichen Bibelkommission, 27. April 2006
Kein Gegensatz
Zwischen dem Gesetz Gottes und der Freiheit des Menschen besteht kein Gegensatz: Das richtig ausgelegte Gesetz Gottes engt die Freiheit des Menschen nicht ein und nimmt sie erst recht nicht weg, sondern im Gegenteil: Es gewährleistet und fördert sie, denn - wie uns der Katechismus der Katholischen Kirche in Erinnerung ruft - "die Freiheit erreicht dann ihre Vollendung, wenn sie auf Gott, unsere Seligkeit, ausgerichtet ist" (Nr. 1731). Das sittliche Gesetz, das von Gott in der Schöpfung festgelegt und in der Offenbarung des Alten Testaments bestätigt wurde, findet in Christus seine Erfüllung und Grösse.
Ansprache für die Mitglieder der Päpstlichen Bibelkommission, 27. April 2006
Vorbild ist das fleischgewordene Wort
Vorbild dieses wirklich sittlichen Handelns ist das Verhalten des fleischgewordenen Wortes, das seinen Willen mit dem Willen Gottes, des Vaters, übereinstimmen lässt durch die Annahme und Erfüllung seiner Sendung: Seine Speise ist es, den Willen des Vaters zu tun (vgl. Joh 4, 34); er tut immer das, was dem Vater gefällt, und hält an seinem Wort fest (vgl. Joh 12,49). Indem Jesus den Vater und dessen Handlungsweise offenbart, offenbart er gleichzeitig die richtigen menschlichen Handlungsnormen. Er bekräftigt diesen Zusammenhang in ausdrücklicher und exemplarischer Weise, als er zum Abschluss seiner Lehre über die Feindesliebe (vgl. Mt 5,43_47) sagt: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,4). Diese göttliche, göttlichmenschliche Vollkommenheit wird für uns möglich, wenn wir eng mit Christus, unserem Retter, verbunden sind.
Ansprache für die Mitglieder der Päpstlichen Bibelkommission, 27. April 2006
Mittel vom Glauben und der Vernunft
In der Tat setzt sich immer mehr eine Kultur durch, die vom Individualistischen Relativismus und vom positivistischen Szientismus geprägt ist: also eine Kultur, die dazu tendiert, sich Gott und seinem Sittengesetz zu verschliessen, auch wenn sie nicht immer von vornherein gegen das Christentum eingestellt ist. Die Katholiken sind deshalb aufgerufen, sich mit aller Kraft zu bemühen, den Dialog mit der heutigen Kultur zu entfalten und sie für die ewigen Werte der Transzendenz zu öffnen.
Bei diesem Bemühen bedient sich der Gläubige der Mittel, die ihm vom Glauben und von der Vernunft angeboten werden: Mittel, die auf den ersten Blick wenig angemessen scheinen, aber durch die Kraft Gottes wirksam werden, denn Er verfolgt Wege, die fern von Macht und Erfolg sind. Nicht zu vergessen ist andererseits, dass es heute in der Welt viele Zeichen der Hoffnung gibt, Früchte des Wirkens des Heiligen Geistes in der Geschichte. Da sind zum Beispiel die neue Empfänglichkeit für die religiösen Werte seitens vieler Menschen, das neue Interesse an der Heiligen Schrift, die Achtung der Menschenrechte in viel grösserem Mass, als es noch in jüngerer Zeit geschehen ist, und der Wille zum Dialog mit den anderen Religionen. Vielen kann insbesondere der Glaube an Jesus helfen, den Sinn des Lebens und des menschlichen Abenteuers zu erfassen, indem ihnen die Bezugspunkte geboten werden, die in einer so schnellebigen und orientierungslosen Welt oft fehlen.
Ansprache an das Autorenkollegium der Zeitschrift "Civiltà Cattolica", 17. Februar 2006
Zivilisation der Liebe
Die "Zivilisation der Liebe" muss sich heute vor allem gegen eine "Kultur des Todes" behaupten. Sie begegnet uns in den verschiedenen Formen der Entwürdigung des Menschen durch biomedizinische Instrumentalisierung vom Zeitpunkt der Entstehung des Lebens an, sie begegnet uns in der zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Abtreibungen, in der Verletzung der Würde der Frau und der Kinder; sie begegnet uns in der Kaltherzigkeit gegenüber dem schreienden Unrecht der Armut im eigenen Land und in vielen Regionen der Welt.
Botschaft zum 96. Katholikentag in Saarbrücken, 21. Mai 2006
Schöpfung
Gerade derjenige, der als Christ an den Schöpfergeist glaubt, wird sich der Tatsache bewusst, dass wir die Welt und die Materie nicht als blosses Material missbrauchen dürfen, mit dem wir tun können, was wir wollen, sondern dass wir die Schöpfung als ein Geschenk betrachten müssen, das uns nicht anvertraut wurde, damit wir es zerstören, sondern damit es zum Garten Gottes und somit zum Garten des Menschen werde. Angesichts des vielgestaltigen Missbrauchs der Erde, den wir heute vor Augen haben, hören wir fast das Seufzen der Schöpfung, von dem der hl. Paulus spricht (Röm 8,22), und beginnen, die Worte dieses Apostels zu verstehen, der sagt, dass die ganze Schöpfung sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes wartet, um befreit zu werden und ihre Herrlichkeit zu erlangen. Liebe Freunde, wir wollen diese Söhne Gottes sein, auf die die Schöpfung wartet, und wir können es sein, weil der Herr uns in der Taufe zu solchen gemacht hat. Ja, die Schöpfung und die Geschichte – sie warten auf uns, warten auf Männer und Frauen, die wirklich Kinder Gottes sind und sich entsprechend verhalten. [...] Die gute Schöpfung Gottes ist jedoch im Laufe der Menschheitsgeschichte von einer dicken Schmutzschicht bedeckt worden, die es unmöglich oder zumindest schwierig macht, in ihr den Abglanz des Schöpfers zu erkennen – auch wenn bei einem Sonnenuntergang am Meer, auf einer Bergwanderung oder vor einer blühenden Blume in uns immer wieder, fast wie von selbst, das Bewusstsein der Existenz des Schöpfers erwacht.
Predigt bei der Pfingstvigil, 3. Juni 2006
Die Kirche schöpft aus dem Naturgesetz und dem Wort Gottes
Eine Modernität, die nicht in wahren menschlichen Werten wurzelt, ist dazu verurteilt, von der Tyrannei der Instabilität und der Orientierungslosigkeit beherrscht zu werden. Daher ist jede kirchliche Gemeinschaft aufgerufen, im Reich des eigenen Glaubens und gestützt von der Gnade Gottes, Bezugspunkt zu sein und mit der Gesellschaft, in die sie eingefügt ist, Dialog zu führen. Als Lehrerin des Lebens schöpft die Kirche aus dem Naturgesetz und dem Wort Gottes jene Prinzipien, die die Grundlagen aufzeigen, die unverzichtbar sind, um die Familie nach dem Plan des Schöpfers aufzubauen.
"Ad-limina"-Besuch der Bischöfe aus den Baltischen Staaten, 23. Juni 2006
"Feminisierung" in der Migration
Im Hinblick auf die Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen emigrieren, verdient die jüngste Entwicklung der "Feminisierung" des Phänomens Erwähnung, also einer ständig wachsenden Anzahl von Frauen unter ihnen. Tatsächlich emigrierten in der Vergangenheit vor allem Männer. Wenn auch Frauen dabei nie fehlten, so emigrierten diese damals jedoch vor allem, um ihre Väter oder Ehemänner zu begleiten oder um dahin nachzukommen, wo diese sich bereits aufhielten. Auch wenn dies heute noch oft der Fall ist, wird die Emigration der Frauen doch tendenziell immer mehr zu einem eigenständigen Phänomen: die Frau überschreitet allein die Grenzen ihrer Heimat auf der Suche nach Arbeit im Ausland. Nicht selten sind Migrantinnen sogar zur Haupteinnahmequelle für ihre Familien geworden. Faktisch lässt sich die Anwesenheit von Frauen vor allem in Niedriglohnsektoren beobachten. Wenn also die Arbeitsmigranten sich in einer besonders schwachen Position befinden, dann gilt dies in besonderem Masse für die Frauen unter ihnen. Die Frauen sind ausser als Haushaltshilfen vor allem in der Alten- und Krankenpflege und im Hotelgewerbe tätig. Auch in diesen Bereichen müssen die Christen sich für eine gute Behandlung der Migrantinnen einsetzen und dafür sorgen, dass sie als Frauen respektiert werden und die gleichen Rechte geniessen.
Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge, 18. Oktober 2005
Zum 30. Jahrestag der Erklärung der Rechte behinderter Personen
Bei dieser Gelegenheit fordere ich alle auf, sich immer stärker für die Integration der Behinderten in die Gesellschaft und in die Welt der Arbeit, aber auch in die christliche Gemeinschaft einzusetzen. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass jedes menschliche Leben Achtung verdient und von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende geschützt werden muss. Alle, die sich bereits dieser bedeutenden Aufgabe widmen, versichere ich meiner Unterstützung und meines Gebets.
Angelus, 4. Dezember 2005
Toleranz ist nicht Indifferentismus
Toleranz darf freilich niemals mit Indifferentismus verwechselt werden, denn jede Form von Gleichgültigkeit ist dem tiefen christlichen Interesse am Menschen und an seinem Heil radikal entgegengesetzt. Wahre Toleranz setzt immer auch den Respekt vor dem anderen voraus , vor dem Menschen, der Geschöpf Gottes ist und dessen Existenz Gott bejaht hat. Die Toleranz, die unsere Welt braucht – ich habe dies erst kürzlich in München ausgeführt -, "schliesst die Ehrfurcht vor Gott ein – die Ehrfurcht vor dem, was den anderen heilig ist. Diese Ehrfurcht vor dem Heiligen der anderen setzt aber wiederum voraus, dass wir selbst die Ehrfurcht vor Gott wieder lernen. Diese Ehrfurcht kann in der westlichen Welt nur dann regeneriert werden, wenn der Glaube an Gott wieder wächst" (Homilie am 10. September 2006 in München).
Ansprache an den deutschen Botschafter, 28. September 2006
Offen für die wahren Werte der Kultur
Das Christentum ist in der Tat offen gegenüber allen, was in den Kulturen und Zivilisationen an Gerechtem, Wahrem und Reinem ist, gegenüber dem, was unserem Dasein Freude schenkt, uns tröstet und stärkt. Der hl. Paulus hat im Philipperbrief geschrieben: "Was immer wahrhaft edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heisst und lobenswert ist, darauf seid bedacht!" (4,8). Die Jünger Christi erkennen daher die echten Werte der Kultur unserer Zeit – wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die technologische Entwicklung, die Rechte des Menschen, die religiöse Freiheit, die Demokratie – und nehmen sie gerne an.
Ansprache beim Kongress der katholischen Kirche in Italien, 19. Oktober 2006 in Verona
"Tun" und "Sein"
Unsere gegenwärtige Zeit scheint einer künstlichen Intelligenz den Vorrang zu geben, die sich in immer stärkerem Ausmass der experimentellen Technik unterwirft, und vergisst auf diese Weise, dass jede Wissenschaft stets den Menschen schützen und sein Streben nach dem wahren Gut fördern muss. Das "Tun" überzubewerten und dabei das "Sein" zu verdunkeln ist keine Hilfe bei der Wiederherstellung des grundlegenden Gleichgewichts, das jeder Mensch braucht, um dem eigenen Dasein ein festes Fundament und eine gültige Zielsetzung zu geben.
Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Lateranuniversität, 21. Oktober 2006
Werte nicht absprechen
Jeder Mensch ist nämlich aufgerufen, seinem Handeln einen Sinn zu geben, vor allem dann, wenn dieses Handeln vor dem Hintergrund einer wissenschaftlichen Entdeckung geschieht, die dem Wesen der personalen Existenz des Menschen seinen Wert abspricht. Wenn man sich von der Entdeckerfreude ergreifen lässt, ohne die Massstäbe zu wahren, die aus einer tieferen Einsicht stammen, dann kommt es leicht zu dem Drama, von dem der antike Mythos erzählt: Der junge Ikarus, ergriffen von der Freude am Flug in die absolute Freiheit und die Warnungen seines Alten Vaters Dädalus missachtend, kommt der Sonne immer näher und vergisst dabei, dass die Flügel, mit denen er sich zum Himmel erhoben hat, aus Wachs sind. Jäher Absturz und Tod sind der Preis, den er für seine Illusion zahlt. Die antike Sage enthält für uns eine Lehre von bleibendem Wert. Im Leben gibt es noch andere Illusionen, denen man sich nicht hingeben darf, wenn man nicht verheerende Folgen für das eigene Leben und das Leben der anderen Menschen riskieren will.
Ansprache beim Besuch der päpstlichen Lateranuniversität, 21. Oktober 2006
Nicht einfach "moral-los"
Die gegenwärtige Gesellschaft ist nicht einfach "moral-los", aber sie hat einen anderen Teil der Moral sozusagen "entdeckt" und nimmt ihn in Anspruch, der vielleicht in unserer kirchlichen Verkündigung in den letzten Jahrzehnten und auch schon länger nicht genügend zur Sprache kam. Es sind die grossen Themen "Frieden", "Gewaltlosigkeit", "Gerechtigkeit für alle", "Sorge um die Armen", "Ehrfurcht vor der Schöpfung". Das ist zu einem Ensemble von Moral geworden, das gerade als politische Kraft auch sehr mächtig ist und für viele eigentlich den Ersatz oder die Nachfolge der Religion darstellt.
Ansprache an die Schweizer Bischöfe, 9. November 2006
Moral des Lebens
Die [...] Moral, die oft sehr kontrovers von der Politik aufgegriffen wird, ist die Moral des Lebens. Dazu gehört der Einsatz für das Leben von der Empfängnis bis zum Tod, das heisst seine Verteidigung gegen die Abtreibung, gegen die Euthanasie, gegen die Manipulation und gegen die Selbstermächtigung des Menschen, über das Leben zu verfügen. Häufig wird versucht, diese Eingriffe mit den scheinbar grossen Zwecken zu rechtfertigen, späteren Generationen damit dienen zu können, so dass auch dies, das Leben des Menschen selbst zu manipulieren und in die Hand zu nehmen, wieder geradezu moralisch erscheint. Aber auf der anderen Seite gibt es ja das Bewusstsein, dass das menschliche Leben ein Geschenk ist, das unsere Ehrfurcht und unsere Liebe vom Ersten bis zum letzten Augenblick verlangt, auch für die Leidenden, die Behinderten und die Schwachen. Im Zusammenhang damit steht dann auch die Moral von Ehe und Familie. Die Ehe wird sozusagen immer mehr marginalisiert. Wir kennen ja das Beispiel aus einigen Ländern, wo eine Gesetzesänderung vorgenommen wurde, durch die nun die Ehe nicht mehr definiert wird als Verbindung zwischen Mann und Frau, sondern als eine Verbindung zwischen Personen, womit natürlich die Grundidee zerstört ist und die Gesellschaft von ihren Wurzeln her zu etwas ganz anderem wird. Dass Sexualität, Eros und Ehe als Einswerden von Mann und Frau zueinander gehören –"Sie werden ein Fleisch sein", sagt der Schöpfungsbericht – dieses Bewusstsein schwindet immer mehr; alle Arten von Verbindungen erscheinen als ganz normal, wiederum als eine Art Moralität der Nicht-Diskrimination und als eine Art von Freiheit, die dem Menschen geschuldet ist. Damit ist natürlich die Unauflöslichkeit der Ehe fast zu einer utopischen Idee geworden, die grade auch bei vielen Persönlichkeiten die wir in der Öffentlichkeit sehen, dementiert erscheint. So zerbröckelt auch die Familie in zunehmendem Masse. Natürlich gibt es für das Problem, dass die Geburtenrate so stark zurückgeht, vielerlei Gründe, sicher spielt dabei aber auch eine entscheidende Rolle, dass man das Leben für sich selber haben möchte, dass man der Zukunft wenig traut und dass man eben die Familie als eine beständige Gemeinschaft, in der dann auch die nächste Generation heranwachsen kann, kaum noch für realisierbar hält.
Ansprache an die Schweizer Bischöfe, 9. November 2006
"Helfer" Gottes
Der eigentliche Ausgangspunkt der biblischen Offenbarung ist die Aussage, dass Gott die Menschen geschaffen, sie mit Vernunft ausgestattet und über alle Geschöpfe der Erde gestellt hat. Auf diese Weise ist der Mensch zum Verwalter der Schöpfung und zum "Helfer" Gottes geworden. Wenn wir zum Beispiel daran denken, wie die moderne Wissenschaft durch die Vorhersage von Naturphänomenen zum Schutz der Umwelt, zum Fortschritt der Entwicklungsländer, zum Kampf gegen die Epidemien und zur Erhöhung der Lebenserwartung beigetragen hat, scheint es offensichtlich, dass es keinen Konflikt zwischen der göttlichen Vorsehung und der Initiative des Menschen gibt. Wir könnten in der Tat sagen, dass die Tätigkeit der Vorhersage, der Kontrolle und der Beherrschung der Naturphänomene, die durch die heutige Wissenschaft realisierbarer ist als in der Vergangenheit, zum Plan des Schöpfers gehört.
Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, 6. November 2006
Nicht radikales und unbedingtes Vertrauen in Wissenschaft und Technologie
Obwohl die Wissenschaft viel gibt, gibt sie nur das, wozu sie bestimmt ist. Der Mensch darf in Wissenschaft und Technologie kein derartig radikales und unbedingtes Vertrauen setzen, dass er meint, der wissenschaftliche und technologische Fortschritt könne alles erklären und seine existentiellen und geistlichen Bedürfnisse vollkommen erfüllen. Die Wissenschaft kann die Philosophie und die Offenbarung nicht ersetzen und auch keine erschöpfende Antwort auf die grundlegenden Fragen des Menschen geben: Fragen über die Bedeutung des Lebens und des Sterbens, über die höchsten Werte und über die Natur des Fortschritts selbst.
Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, 6. November 2006
Ohne Gottesbezug keine Antworten
Ohne einen Gottesbezug kann der Mensch keine Antwort auf die grundlegenden Fragen geben, die sein Herz hinsichtlich des Ziels und damit des Sinns seiner Existenz bewegen und immer bewegen werden. Folglich ist es dann auch nicht möglich, jene ethischen Werte in der Gesellschaft einzuführen, die allein ein menschenwürdiges Zusammenleben gewährleisten können. Das Schicksal des Menschen ohne Gottesbezug kann nur die Trostlosigkeit der Angst sein, die zur Verzweiflung führt. Nur in der Beziehung zu Gott, der Liebe ist und der sich in Jesus Christus offenbart hat, kann der Mensch den Sinn seiner Existenz finden und in der Hoffnung leben, trotz der Erfahrung von Übeln, die seine persönliche Existenz und die Gesellschaft, in der er lebt, verletzen. Die Hoffnung bewirkt, dass sich der Mensch nicht in einem lähmenden und sterilen Nihilismus verschliesst, sondern – um die Gesellschaft, in der er lebt, verbessern zu können – offen ist für den grossherzigen Einsatz in ihr. Das ist die Aufgabe, die Gott dem Menschen anvertraut hat, als er ihn nach seinem Bild und Gleichnis erschuf, eine Aufgabe, die jeden Menschen mit grösster Würde, aber auch mit einer unermesslichen Verantwortung erfüllt.
Ansprache in der Päpstlichen Universität Gregoriana, 3. November 2006
Nach dem Abbild Gottes
Die Heilige Schrift sagt: "Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie" (Gen 1,27). Da er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist, hat der Mensch die Würde, Person zu sein; er ist nicht bloss etwas, sondern jemand, der imstande ist, sich zu erkennen, über sich Herr zu sein, sich in Freiheit hinzugeben und in Gemeinschaft mit anderen Personen zu treten. Zugleich ist er aus Gnade zu einem Bund mit seinem Schöpfer berufen, um diesem eine Antwort des Glaubens und der Liebe zu geben, die niemand anderer an seiner Stelle geben kann. Aus dieser wunderbaren Perspektive versteht man die dem Menschen anvertraute Aufgabe, in der Liebesfähigkeit selbst zu reifen und der Welt zum Fortschritt zu verhelfen, indem er sie in der Gerechtigkeit und im Frieden erneuert.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Lautloses Sterben
Was das Recht auf Leben betrifft, so ist es geboten, die Marter anzuprangern, die ihm in unserer Gesellschaft zugefügt wird: Neben den Opfern der bewaffneten Konflikte, des Terrorismus und der verschiedenen Formen von Gewalt gibt es das lautlose Sterben durch Hunger, Abtreibung, Experimente an Embryonen und durch Euthanasie. Muss man nicht in alldem einen Angriff auf den Frieden sehen? Abtreibung und Experimente an Embryonen sind das direkt Gegenteil einer Grundhaltung der Annahme des anderen, die zur Herstellung dauerhafter Friedensbeziehungen unentbehrlich ist.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Nicht nach Belieben verfügen
Die Pflicht zur Achtung der Würde jedes Menschen, in dessen Wesen sich das Bild des Schöpfers widerspiegelt, beinhaltet konsequenterweise, dass man über die menschliche Person nicht nach Belieben verfügen dar. Wer sich der grösseren politischen, technologischen und ökonomischen Macht erfreut, darf sich ihrer nicht bedienen, um die Rechte der anderen, weniger Erfolgreichen zu verletzen. Der Friede gründet sich nämlich auf die Berücksichtigung der Rechte aller.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Ausbeutung der Frau
Auch die unzureichende Beachtung der Lage der Frau bringt in das soziale Gleichgewicht Faktoren der Unbeständigkeit hinein. Ich denke an die Ausbeutung von Frauen, die wie Objekte behandelt werden, und an die vielen Formen mangelnder Achtung vor ihrer Würde; ich denke auch - in anderem Zusammenhang – an die in einigen Kulturen fortdauernden anthropologischen Vorstellungen, die der Frau eine Stellung zuweisen, die sie in starkem Masse der Willkür des Mannes unterwirft, mit Konsequenzen, die die Würde ihrer Person verletzten und die Inanspruchnahme ihrer grundlegenden Freiheiten beschneiden. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass der Frieden gesichert sei, solange nicht auch diese Formen der Diskriminierung überwunden sind, welche die jedem Menschen vom Schöpfer verliehene persönliche Würde verletzen.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt
Die Erfahrung zeigt, dass jede Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt dem menschlichen Zusammenleben Schaden zufügt und umgekehrt. Immer deutlicher tritt der untrennbare Zusammenhang zwischen dem Frieden mit der Schöpfung und dem Frieden unter den Menschen in Erscheinung. Der eine wie der andere setzt den Frieden mit Gott voraus. Das als "Sonnengesang" bekannte poetischen Gebet des hl. Franziskus ist ein wunderbares, stets aktuelles Beispiel für diese mannigfaltige Ökologie des Friedens.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Wettlauf zu den Energiequellen
In diesen Jahren sind neue Nationen mit Elan in die Industrielle Produktion eingestiegen und haben dadurch den Energiebedarf erhöht. Das verursacht einen Wettlauf zu den Verfügbaren Ressourcen, der mit früheren Situationen nicht zu vergleichen ist. Gleichzeitig lebt man in einigen Teilen der Erde noch in Verhältnissen eines grossen Rückstandes, in denen die Entwicklung – auch aufgrund der Erhöhung des Energiepreises – praktisch verhindert wird. Was soll aus diesen Völkern werden? Welche Art der Entwicklung oder Nicht-Entwicklung wird ihnen durch die Energieknappheit aufgezwungen werden? Welche Ungerechtigkeiten und Antagonismen wird der Wettlauf zu den Energiequellen auslösen? Und wie werden diejenigen reagieren, die von diesem Wettlauf ausgeschlossen bleiben? Das sind Fragen, die deutlich werden lassen, wie eng die Rücksicht auf die Natur mit der Notwendigkeit verbunden ist, zwischen den Menschen und den Nationen Beziehungen zu knüpfen, die auf die Würde der Person achten und fähig sind, ihre wirklichen Bedürfnissen zu befriedigen. Die Zerstörung der Umwelt, ein unangemessener und egoistischer Umgang mit ihr und der gewaltsame Aufkauf ihrer Ressourcen erzeugen Verletzungen, Konflikte und Kriege, eben weil sie die Frucht eines unmenschlichen Entwicklungskonzepts sind. Eine Entwicklung, die sich nur auf den technisch-wirtschaftlichen Aspekt beschränken würde und die ethisch-religiöse Dimension vernachlässigte, wäre nämlich keine ganzheitliche menschliche Entwicklung und würde schliesslich wegen ihrer Einseitigkeit die zerstörerischen Fähigkeiten des Menschen antreiben.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Terrorismus und ethische Grenzen
Das Übel des Terrorismus verlangt ein vertieftes Nachdenken über die ethischen Grenzen, die den Einsatz heutiger Mittel zum Schutz der nationalen Sicherheit betreffen. Immer häufiger werden nämlich die Kriege nicht erklärt, vor allem, wenn terroristische Gruppen sie auslösen, die entschieden sind, ihre Ziele mit jedwedem Mittel zu erreichen. Angesichts der erschütternden Szenarien dieser letzten Jahre können die Staaten unmöglich die Notwendigkeit verkennen, sich klarere Regeln zu geben, die fähig sind, dem dramatischen Abdriften, das wir erleben, wirksam entgegenzutreten.
Botschaft zum Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Feste Grundlage der Menschenrechte
Heute ist vielfach die Rede vom den Menschenrechten, aber oft wird vergessen, dass sie eine feste, nicht relative, nicht diskutierbare Grundlage benötigen. Und das kann nur die Würde der Person sein. Die Achtung dieser Würde beginnt mit der Anerkennung und dem Schutz ihres Rechtes zu leben und die eigene Religion frei zu bekennen.
Angelus, 1. Januar 2007
Schöpferische Vernunft des Ganzen
Die Macht des Menschen, die ihm von der Wissenschaft her zugewachsen ist, wird immer mehr zu einer Gefahr, die ihn selbst und die Welt bedroht. Die ganz auf das Beherrschen der Welt gerichtete Vernunft akzeptiert keine Grenzen mehr. Sie ist dabei, den Menschen selbst nur noch als Materie ihres Produzierens und Könnens zu behandeln. Unser Erkennen wächst, aber zugleich gibt es eine Erblindung der Vernunft für ihre eigenen Gründe; für die Massstäbe, die ihr Richtung und Sinn geben. Der Glaube an den Gott, der selbst die schöpferische Vernunft des Ganzen ist, muss von der Wissenschaft neu als Herausforderung und als Chance angenommen werden. Umgekehrt muss dieser Glaube seine innere Weite und seine eigene Vernunft neu erkennen. Die Vernunft braucht den Logos, der am Anfang steht und unser Licht ist. Der Glaube seinerseits braucht das Gespräch mit der modernen Vernunft, damit er seine Grösse wahr nimmt und seiner Verantwortung gerecht wird.
Weihnachtsempfang für die Römische Kurie, 22. Dezember 2006
Gleiche Würde der Person
Ich bin zutiefst davon überzeugt, "dass durch die Achtung der Person der Friede gefördert wird und dass mit der Herstellung des Friedens die Voraussetzungen geschaffen werden für einen "authentischen ganzheitlichen Humanismus" (Botschaft Weltfriedenstag 2007,1) . Das ist eine Aufgabe, die in besonderer Weise dem Christen zukommt, der berufen ist, "unermüdlicher Friedensstifter und mutiger Verteidiger der Würde der Menschen und seiner unveräusserlichen Rechte zu sein" (Botschaft Weltfriedenstag 2007, 16). Nach dem Bild und als Abbild Gottes (vgl. Gen 1,27) geschaffen, ist jeder Mensch, ohne Unterschied von Rasse, Kultur und Religion, mit der gleichen Würde der Person ausgestattet. Deshalb ist er zu achten, und aus keinem Grund ist je zu rechtfertigen, dass man über ihn nach Belieben verfügt, gleichsam als sei er ein Objekt.
Predigt am Weltfriedenstag, 1. Januar 2007
Der Mensch im Mittelpunkt
Es ist [...] wichtig, die Migranten und ihre Familien zu schützen durch spezifische gesetzgeberische, rechtliche und administrative Massnahmen und auch durch ein Netzwerk von Dienstleistungen, Kontaktbüros und Einrichtungen zur sozialen und seelsorglichen Unterstützung. Mein Wunsch ist, dass es bald zu einer ausgewogenen Verwaltung der Migrationsbewegungen und der menschlichen Mobilität im allgemeinen kommt, damit die ganze Menschheitsfamilie einen Nutzen davon hat, angefangen mit konkreten Massnahmen, die die legale Emigration und die Familienzusammenführung fördern, dies mit einem besonderen Augenmerk auf Frauen und Minderjährige. In der Tat muss auch in dem weitgefassten Bereich der internationalen Migrationen der Mensch stets in den Mittelpunkt gestellt werden. Nur die Achtung der Menschenwürde aller Migranten einerseits und die Anerkennung der Werte der aufnehmenden Gesellschaft durch die Migranten andererseits machen eine richtige Integration der Familien in die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme der Aufnahmeländer möglich.
Angelus, 14. Januar 2007
Besondere Ressourcen
Liebe Freunde, die Realität der Migrationsphänomene darf nie nur als Problem gesehen werden, sondern auch und vor allem als eine bedeutende Ressource für den Weg der Menschheit. Die Migrantenfamilie stellt dabei eine besondere Ressource dar, solange sie als solche geachtet wird und keine unwiederbringlichen Zerrüttungen hinnehmen muss, sondern geeint bleiben oder wieder zusammengeführt werden kann und auf diese Weise ihren Auftrag als Wiege des Lebens und erster Ort der Aufnahme und Erziehung des Menschen zu erfüllen vermag.
Angelus, 14. Januar 2007
Mit Menschlichkeit...
Ein weiteres Problem, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, stellt die Migration der Menschen dar: Millionen Männer und Frauen sind gezwungen, infolge von Gewalttätigkeiten oder auf der Suche nach würdigeren Lebensbedingungen ihre Häuser und ihre Heimat zu verlassen. Es ist illusorisch zu glauben, die Migrationsphänomene könnten einfach durch Einsatz von Gewalt blockiert oder kontrolliert werden. Die Migrationen und die damit entstehenden Probleme müssen mit Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Mitleid angegangen werden.
Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps, 8. Januar 2007
Positives fördern
Die Situationen, die ich erwähnt habe, stellen eine Herausforderung dar, die uns alle betrifft; es handelt sich um eine Herausforderung, die darin besteht, alles Positive in der Welt zu fördern und zu festigen und alles, was den Menschen verletzt, entwertet und tötet, mit gutem Willen, Weisheit und Hartnäckigkeit zu überwinden. Nur wenn die menschliche Person geachtet wird, ist es möglich, den Frieden zu fördern, und nur, wenn der Frieden errichtet wird, werden die Grundlagen für einen authentischen ganzheitlichen Humanismus gelegt. Hier findet die Sorge so vieler unserer Zeitgenossen gegenüber der Zukunft eine Antwort. Ja, die Zukunft wird dann friedlich sein können, wenn wir gemeinsam für den Menschen arbeiten. Der nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Mensch besitzt eine unvergleichliche Würde; der Mensch, der in den Augen seines Schöpfers so sehr der Liebe würdig ist, dass Gott nicht gezögert hat, seinen eigenen Sohn für ihn hinzugeben.
Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps, 8. Januar 2007
Wirtschaftliche Entwicklung enthält moralische Aspekte
Man soll immer daran denken, dass die wichtige Komponente wirtschaftlicher Entwicklung einen moralischen Aspekt enthält, der für das Wohl und den friedvollen Fortschritt einer Nation von entscheidender Bedeutung ist. Denn hier wird die Forderung nach Gerechtigkeit erfüllt (vgl. Sollicitudo rei socialis, 10). Das Recht auf sinnvolle Arbeit und einen annehmbaren Lebensstandard, die Sicherheit einer gerechten Verteilung der Güter und des Wohlstands sowie die verantwortungsvolle Nutzung der natürlichen Ressourcen gründen auf einem Wachstumskonzept, das sich nicht auf die reine Befriedigung der materiellen Bedürfnisse beschränkt. Ein solches Konzept muss auch die Würde jeder menschlichen Person – das eigentliche Subjekt jeglichen Fortschritts - herausstellen und damit das Gemeinwohl der ganzen Menschheit vermehren.
Ansprache an den Botschafter von Kirgisistan, 14. Dezember 2006
Heiliger Charakter des Lebens und Würde des Menschen
Unsere jeweiligen religiösen Traditionen betonen alle den heiligen Charakter des Lebens und die Würde des Menschen. Wir glauben, dass Gott unsere Vorhaben segnen wird, wenn sie zum Wohl aller seiner Kinder beitragen und es ihnen ermöglichen, einander zu achten in einer weltumspannenden Brüderlichkeit. Zusammen mit allen Menschen guten Willens sehnen wir uns nach Frieden. Daher wiederhole ich mit Nachdruck: interkulturelle und interreligiöse Forschung und Dialog sind keine Option, sondern eine Lebenswichtige Notwendigkeit unserer Zeit.
Ansprache an die Mitglieder der "Fondation pour la Recherche et le Dialogue interrelgieux et intercultureles", 1. Februar 2007
Naturrecht
Mit aller Dringlichkeit wird die Notwendigkeit sichtbar, über das Naturrecht nachzudenken und seine Wahrheit, die allen Menschen gemeinsam ist, wiederzuentdecken. Dieses Gesetz, auf das auch der Apostel Paulus hinweist (vgl. Röm 2,14-15), ist in das Herz des Menschen eingeschrieben und ist folglich auch heute nicht einfach unzugänglich. Dieses Gesetz hat als sein erstes und allgemeinstes Prinzip das "Tue das Gute und meide das Böse!" Das ist eine für jeden unmittelbar offenkundige Wahrheit. Ihr entspringen dann die anderen, spezifischeren Prinzipien, die das ethische Urteil über die Rechte und Pflichten jedes Einzelnen regulieren. Ein solches Prinzip ist die Achtung vor dem menschlichen Leben von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, da dieses Gut des Lebens nicht verfügbares Eigentum des Menschen, sondern unentgeltliches Geschenk Gottes ist. Ein solches Prinzip ist auch die Pflicht, nach der Wahrheit zu suchen – notwendige Voraussetzung jeder echten Reifung der Person.
Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongress über das Naturrecht, 12. Februar 2007
Sittliche Gebote
Das Naturrecht ist die Quelle, aus der zusammen mit Grundrechten auch sittliche Gebote entspringen, deren Einhaltung verpflichtend ist. In der derzeitigen Ethik und Rechtsphilosophie sind die Postulate des Rechtspositivismus weit verbreitet. Die Folge davon ist, dass die Gesetzgebung häufig lediglich zu einem Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen wird: Man versucht, private Interessen oder Wünsche, die den aus der sozialen Verantwortung erwachsenden Verpflichtungen zuwiderlaufen, in Rechte umzuwandeln.
Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongress über das Naturrecht, 12. Februar 2007
Bollwerk gegen die Willkür der Macht
Jede Rechtsordnung, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene, bezieht ihre Rechtmässigkeit letztlich aus ihrer Verwurzelung im Naturrecht, in der in das Sein des Menschen selbst eingeschriebenen ethischen Botschaft. Das Naturrecht ist schliesslich das einzige gültige Bollwerk gegen die Willkür der Macht oder die Täuschungen der ideologischen Manipulation. Die Kenntnis dieses Gesetzes, das in das Herz des Menschen eingeschrieben ist, wächst mit dem Fortschreiten des Gewissens. Die erste Sorge aller und insbesondere jener, die öffentliche Verantwortung tragen, müsste deshalb darin bestehen, das Reifen des Gewissens zu fördern. Das ist der grundlegende Fortschritt, ohne den sich alle anderen Fortschritte schliesslich als unecht herausstellen. Das in unsere Natur eingeschriebenen Gesetz ist die jedem angebotene Garantie dafür, frei und in seiner Würde geachtet leben zu können.
Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongress über das Naturrecht, 12. Februar 2007
Nicht alles ist ethisch erlaubt
Schliesslich empfinde ich es als meine Pflicht, noch einmal zu bekräftigen, dass nicht alles, was wissenschaftlich machbar ist, auch ethisch erlaubt ist. Wenn die Technik den Menschen auf ein Experimentierobjekt reduziert, liefert sie am Ende das schwache Subjekt der Willkür des Stärkeren aus. Sich der Technik als einzigem Garanten des Fortschritts blind anzuvertrauen, ohne gleichzeitig einen ethischen Kodex zu bieten, der seine Wurzeln in derselben Wirklichkeit hat, die erforscht und entfaltet wird, wäre gleichbedeutend damit, der menschlichen Natur Gewalt anzutun, mit verheerenden Folgen für alle.
Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongress über das Naturrecht, 12. Februar 2007
Lex naturalis - Natürliches Sittengesetz
Die Methode, die es uns erlaubt, die vernünftigen Strukturen der Materie immer gründlicher zu erkennen, macht uns immer unfähiger, die Quelle dieser Vernünftigkeit, die schöpferische Vernunft, zu sehen. Die Fähigkeit, die Gesetze des materiellen Seins zu erkennen, macht uns unfähig, die im Sein enthaltene ethische Botschaft zu sehen, die von der Tradition "lex naturalis", natürliches Sittengesetz, genannt wird. Dieses Wort ist heute für viele beinahe unverständlich; der Grund dafür liegt in einem Naturbegriff, der nicht mehr metaphysisch, sondern rein empirisch ist. Die Tatsache, dass die Natur, das Sein selbst nicht mehr transparent für eine moralischen Botschaft ist, erzeugt ein Gefühl von Orientierungslosigkeit, das die Entscheidungen des täglichen Lebens prekär und unsicher macht. Die Verwirrung bedrängt natürlich in besonderer Weise die jüngeren Generationen, die in diesem Kontext die grundlegenden Entscheidungen für ihr Leben finden müssen.
Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongress über das Naturrecht, 12. Februar 2007
Was ist der Mensch und das Menschsein
Der russische Gelehrte Sacharow ist dafür ein Vorbild: während in der Zeit des Kommunismus seine äussere Freiheit eingeschränkt wurde, erlaubte es ihm seine innere Freiheit, die ihm keiner nehmen konnte, das Wort zu ergreifen um mit beharrlicher Entschlossenheit seine Mitbürger im Namen des Gemeinwohls zu verteidigen. Auch heutzutage ist es wichtig, dass sich der Mensch nicht von äusseren Ketten behindern lässt, wie etwa vom Relativismus, vom Streben nach Macht und Profit um jeden Preis, von der Droge, von ungeordneten Gefühlsbeziehungen, von der Verwirrungen im Bereich der Ehe, von der Nichtanerkennung des Menschen in allen Phasen seiner Existenz, von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende, die zur Meinung führt, es gebe Stadien, in denen der Mensch nicht wirklich existiere. Wir müssen den Mut haben, unsere Zeitgenossen daran zu erinnern, was der Mensch und was das Menschsein ist. Ich fordere die zivilen Obrigkeiten und die Personen, die eine Aufgabe bei der Weitergabe der Werte haben, auf, immer diesen Mut zur Wahrheit über den Menschen zu haben.
Ansprache für eine Delegation der Pariser Akademie für Moral- und Politikwissenschaften, 10. Februar 2007
Kampf für das Leben
Es gibt diesen grossen Kampf der Kirche für das Leben. Sie wissen, dass Papst Johannes Paul II. ihn zu einem grundlegenden Punkt seines ganzen Pontifikats gemacht hat. Er hat eine grosse Enzyklika über das Evangelium des Lebens geschrieben. Wir setzen natürlich diese Botschaft fort, dass das Leben ein Geschenk und keine Bedrohung ist. Mir scheint, dass an der Wurzel dieser Gesetzgebungen [Abtreibungen] einerseits ein gewisser Egoismus und anderseits auch ein Zweifel am Wert des Lebens, an der Schönheit des Lebens und auch ein Zweifel an der Zukunft steht. Und die Kirche antwortet vor allem auf diese Zweifel: Das Leben ist schön, es ist nichts Zweifelhaftes, sondern ein Geschenk, und das Leben bleibt auch unter schwierigen Bedingungen immer ein Geschenk. Es gilt also, dieses Bewusstsein von der Schönheit des Geschenks des Lebens zu erneuern. Und dann noch etwas anders: der Zweifel an der Zukunft. Natürlich gibt es in der Welt vielfache Bedrohungen, aber der Glaube gibt uns die Sicherheit, dass Gott immer stärker ist und in der Geschichte gegenwärtig bleibt, so dass wir mit Vertrauen auch neuen Menschen das Leben schenken können. In dem Bewusstsein, das uns der Glaube von der Schönheit des Lebens und der Vorsehung und Gegenwart Gottes in unserer Zukunft gibt, können wir diesen Ängsten widerstehen, die die Ursache dieser Gesetzgebungen sind.
Interview während der Flugreise nach Brasilien, 9. Mai 2007
Menschliche Natur als Quelle gemeinsamer Rechte
Im Aktuellen geschichtlichen Moment und angesichts der vielen damit verbundenen Herausforderungen kann die Europäische Union, wenn sie ein guter Garant des Rechtsstaates und ein wirksamer Förderer der universalen Werte sein will, nicht umhin, mit Klarheit das sichere Dasein einer beständigen und bleibenden menschlichen Natur anzuerkennen, die Quelle gemeinsamer Rechte für jeden einzelnen ist, einschliesslich derer, die sie verneinen. In diesem Kontext ist das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen jedesmal, wenn die grundlegenden Menschenrechte verletzt werden, zu schützen.
Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses, von der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft, 24. März 2007
Globalisierung
In der heutigen Welt gibt es das Phänomen der Globalisierung als eine Weltumspannendes Erziehungsgeflecht. Wenngleich die Globalisierung unter gewissen Aspekten ein Gewinn für die grosse Menschheitsfamilie und ein Zeichen ihrer Sehnsucht nach Einheit sein mag, bringt sie jedoch zweifellos auch das Risiko der grossen Monopole und damit die Umdeutung des Gewinns zum höchsten Wert mit sich. Wie in allen Bereichen menschlichen Tuns muss auch die Globalisierung von der Ethik geleitet sein, so dass sie alles in den Dienst der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffenen menschlichen Person stellt.
Ansprache bei der V. Generalversammlung der Bischofskonferenzen von Lateinamerika, 13. Mai 2007
Problem duch den Humanismus
Die europäische Kultur wird in den letzten Jahrhunderten stark vom Begriff der Moderne geprägt. Die gegenwärtige Krise hat jedoch weniger damit zu tun, dass die Moderne die Zentralität des Menschen und seiner Belange hervorhebt, als vielmehr mit den Problemen, die durch einen "Humanismus" entstehen, der den Anspruch erhebt, ein "regnum hominis" aufzubauen, das von seiner notwendigen ontologischen Grundlage losgelöst ist. Eine falsche Dichotomie zwischen Theismus und echtem Humanismus, die bis zu dem Extrem geführt wird, einen unlösbaren Konflikt zwischen dem göttlichen Gesetz und der menschlichen Freiheit zu postulieren, hat zu einer Situation geführt, in der die Menschheit sich trotz all ihrer wirtschaftlichen und technischen Fortschritte zutiefst bedroht fühlt.
Ansprache an die Teilnehmer der Begegnung der Dozenten der europäischen Universitäten, 23. Juni 2007
Die Würde des menschlichen Wesens entdecken
Gute Schulung dient nicht nur der kognitiven, sondern auch der spirituellen Entwicklung der Kinder. Unter der Führung ihrer Lehrer entdecken die jungen Menschen die Einzigartigkeit jedes menschlichen Wesens als Geschöpf Gottes, sie erkennen jene Würde, die allen Männern und Frauen, auch den Angehörigen anderer Kulturen und Religionen eigen ist. Auf diese Weise kann das zivile Leben einer Nation reifen und allen Bürgern ermöglichen, die Früchte wahrer Toleranz und gegenseitiger Achtung zu geniessen.
Ansprache an die Botschafterin von Pakistan, 1. Juni 2007
Auf die Stimme der Erde hören
Wir alle sehen heute, dass der Mensch die Grundlage seiner Existenz, seine Erde, zerstören könnte und dass wir daher mit dieser Erde, mit der uns anvertrauten Wirklichkeit, nicht mehr einfach das machen können, was wir wollen und was uns im Augenblick nützlich und vielversprechend zu sein scheint. Wir müssen, wenn wir überleben wollen, die inneren Gesetze der Schöpfung, dieser Erde, respektieren, müssen diese Gesetze kennenlernen und diesen Gesetzen auch gehorchen. Dieser Gehorsam gegenüber der Stimme der Erde, der Stimme des Seins ist also für unser zukünftiges Glück wichtiger als die Stimmen des Augenblicks, die Wünsche des Augenblicks. Das ist ein erstes Kriterium, das es zu lernen gilt: dass das Sein selbst, unsere Erde, zu uns spricht und dass wir zuhören müssen, wenn wir überleben und die Botschaft der Erde entschlüsseln wollen. Und wenn wir der Stimme der Erde gehorchen müssen, dann gilt das noch mehr für die Stimme des menschlichen Lebens.
Begegnung mit dem Klerus der Diözesen Belluno-Feltre und Treviso in Auronzo di Cadore, 24. Juli 2007
Abtreibung ist kein Menschenrecht!
In Europa ist zuerst der Begriff der Menschenrechte formuliert worden. Das grundlegende Menschenrecht, die Voraussetzung für allen anderen Recht, ist das Recht auf das Leben selbst. Das gilt für das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Abtreibung kann demgemäss kein Menschenrecht sein - sie ist das Gegenteil davon. Sie ist eine "tiefe soziale Wunde", wie unser verstorbener Mitbruder Kardinal Franz König zu betonen nicht müde wurde. Mit alledem spreche ich nicht vom einem speziell kirchlichen Interesse. Vielmehr möchte ich mich zum Anwalt eines zutiefst menschlichen Anliegens und zum Sprecher der Ungeborenen machen, die keine Stimme haben. Ich verschliesse damit nicht die Augen vor den Problemen und Konflikten vieler Frauen und bin mir bewusst, das die Glaubwürdigkeit unserer Rede auch davon abhängt, was die Kirche selbst zur Hilfe für betroffenen Frauen tut. Ich appelliere dabei an die politisch Verantwortlichen, nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird. Ich sage das aus Sorge um die Humanität. Aber das ist nur die eine Seite dessen, was uns Sorgen macht. Die andere ist, alles dafür zu tun, dass die europäischen Länder wieder kinderfreundlicher werden. Ermutigen Sie bitte die jungen Menschen, die mit der Heirat eine neue Familie gründen, Mütter und Väter zu werden. Damit tun sie ihnen selbst, aber auch der ganzen Gesellschaft etwas Gutes. Ich bestärke sie auch nachdrücklich in ihren politischen Bemühungen, Umstände zu fördern, die es jungen Paaren ermöglichen, Kinder aufzuziehen. Das alles wird aber nichts nützen, wenn es uns nicht gelingt, in unseren Ländern wieder ein Klima der Freude und der Lebenszuversicht zu schaffen, in dem Kinder nicht als Last, sondern als Geschenk für alle erlebt werden.
Ansprache in der Wiener Hofburg, 7. September 2007
Zuwendung und Sterbebegleitung , nicht "aktive Sterbehilfe"
Mit grosser Sorge erfüllt mich auch die Debatte über eine aktive Sterbehilfe. Es ist zu befürchten, dass eines Tages ein unterschwelliger oder auch erklärter Druck auf schwerkranke und alte Menschen ausgeübt werden könnte, um den Tod zu bitten oder ihn sich selber zu geben. Die richtige Antwort auf das Leid am Ende des Lebens ist Zuwendung, Sterbebegleitung - besonders auch mit Hilfe der Palliativmedizin - und nicht "aktive Sterbehilfe". Um eine humane Sterbebegleitung durchzusetzen, bedürfte es freilich struktureller Reformen in allen Bereichen des Medizin- und Sozialsystems und des Aufbaus palliativer Versorgungssysteme. Es bedarf aber auch konkreter Schritte: in der psychischen und seelsorglichen Begleitung schwer Kranker und Sterbender, der Familienangehörigen, der Ärzte und des Pflegepersonals. Die Hospizbewegung leistet hier grossartiges. Jedoch kann nicht das ganze Bündel solcher Aufgaben an sie delegiert werden. Viele andere Menschen müssen bereit sein bzw. in ihrer Bereitschaft ermutigt werden, sich die Zuwendung zu schwer Kranken und Sterbenden Zeit und auch Geld kosten zu lassen.
Ansprache in der Wiener Hofburg, 7. September 2007
Die Würde des Menschen
Die grossen und vitalen Themen der Moral wie Friede, Gewaltlosigkeit, Gerechtigkeit, Achtung für die Schöpfung verleihen an sich dem Menschen keine Würde. Die primäre Dimension der Moralität gründet auf der angeborenen Würde des menschlichen Lebens - vom Augenblick der Empfängnis bis zum natürlichen Tod - eine Würde, die Gott selbst uns verliehen hat. Gottes liebevoller Schöpfungsakt muss als Ganzes verstanden werden. Wie schmerzlich ist es doch, dass nicht selten gerade jene gesellschaftlichen und politischen Gruppen, die bewundernswerterweise voll Ehrfurcht vor der Schöpfung Gottes sind, dem Wunder des Lebens im Mutterleib so geringe Beachtung schenken. Lasst uns hoffen, dass vor allem unter jungen Menschen das aufkommende Interesse für die Umwelt ihre Erkenntnis der rechten Ordnung und der Herrlichkeit der Schöpfung Gottes vertiefen wird, deren Mittel- und Höhepunkt der Mensch ist.
Ansprache an den neuen Botschafter Irlands, 15. September 2007
Der Hunger in der Welt
Wir müssen feststellen, dass durch die bisher unternommenen Bemühungen die Zahl der Hungernden in der Welt nicht bedeutend geringer geworden zu sein scheint. Obwohl alle anerkennen, dass es ein Grundrecht auf Nahrung gibt. Das ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass man dazu neigt, nur oder hauptsächlich aus praktischen oder wirtschaftlichen Erwägungen heraus zu handeln und dabei die Priorität der ethischen Dimension vergisst, "den Hungernden zu essen zu geben". Diese Priorität berührt das Gefühl des Mitleids und der Solidarität, das den Menschen eigen ist und sie dazu bringt, nicht nur die materiellen Güter miteinander zu teilen, sondern auch die Liebe, derer wir alle bedürfen. In der Tat geben wir zuwenig, wenn wir nur materielle Dinge anbieten.
Botschaft an den Generaldirektor der FAO, anlässlich des Welternährungstages 2007, 4. Oktober 2007
Das Gut der Schöpfung achten
Das Ziel den Hunger zu bekämpfen und gleichzeitig auf eine gesunde und ausreichende Ernährung zählen zu können, erfordert auch besondere Methoden und Vorgehensweisen, die eine Nutzung der Ressourcen ermöglichen, bei der das Gut der Schöpfung geachtet wird, eine Arbeit in dieser Richtung stellt eine Priorität dar. Sie macht es erforderlich, dass man sich nicht nur die Ergebnisse der Wissenschaft, der Forschung und der Technik zunutze macht, sondern auch die Kreisläufe und den Rhythmus der Natur berücksichtigt, die die Menschen in den ländlichen Gebieten kennen. Auch die traditionellen Gebräuche der indigenen Gemeinschaften müssen geschützt und egoistische und ausschliesslich wirtschaftliche Motivationen überwunden werden.
Botschaft an den Generaldirektor der FAO, anlässlich des Welternährungstages 2007, 4. Oktober 2007
Das Recht auf Nahrung
Das Recht auf Nahrung hat durch all das, was es mit sich bringt, sowohl in seiner individuellen als auch in seiner gemeinschaftlichen Dimension Auswirkungen, die ganze Völker und Menschengruppen betreffen. Ich denke insbesondere an die Situation der Kinder - der ersten Opfer dieser Tragödie -, die manchmal in ihrer physischen und psychischen Entwicklung behindert und oft zur Zwangsarbeit verpflichtet oder von bewaffneten Gruppen rekrutiert werden, im Austausch gegen einige wenige Lebensmittel.
Botschaft an den Generaldirektor der FAO, anlässlich des Welternährungstages 2007, 4. Oktober 2007
Der Mensch: Mittelpunkt der Forschungen
Der Mensch als Abbild Gottes muss immer im Mittelpunkt der Forschungen und der Entscheidungen in der Biomedizin stehen. Das natürliche Prinzip der Pflicht, den Kranken zu behandeln, ist grundlegend. Die biomedizinischen Wissenschaften sollen dem Menschen dienen; geschieht das nicht, dann werden sie unmenschlich und gefühllos. Jede wissenschaftliche Erkenntnis im Bereich der Gesundheit und jedes therapeutische Handeln sollen dem kranken Menschen in seiner Ganzheit dienen; deshalb soll er aktiv an der Therapie, die bei ihm unter Respektierung seiner Autonomie angewandt wird, teilhaben.
Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses der katholischen Apotheker, 29. Oktober 2007
Höchste Achtung des menschlichen Lebens
Da das menschliche Leben in allen seinen Phasen höchste Achtung verdient, gilt das in gewisser Hinsicht noch mehr, wenn es von Alter und Krankheit gezeichnet ist. Das Alter ist der letzte Abschnitt unseres irdischen Pilgerweges, der aus verschiedenen Phasen besteht, von denen jede ihre Licht- und ihre Schattenseiten hat. Man fragt sich: Hat das Dasein eines alten und kranken Menschen mit grossen gesundheitlichen Schwierigkeiten noch einen Sinn? Wenn die Krankheit so weit fortgeschritten ist, warum soll man das Leben noch länger schützen und nicht vielmehr die Euthanasie als Befreiung in Betracht ziehen? Ist es möglich, die Krankheit als eine menschliche Erfahrung zu verstehen, die man geduldig und mutig annehmen kann?
Ansprache an der Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, 17. November 2007
Die Erforschung der Krankheiten
Bei mehreren Anlässen hat mein verehrter Vorgänger Johannes Paul II., der besonders während seiner Krankheit ein vorbildliches Zeugnis des Glaubens und des Mutes abgelegt hat, die Wissenschaftler und die Ärzte aufgefordert, sich in der Forschung um die Vorbeugung und Heilung von Krankheiten zu bemühen, die mit dem Alterungsprozess verbunden sind. Sie dürfen aber nie der Versuchung erliegen, auf Massnahmen zurückzugreifen, die das Leben des betagten Kranken verkürzen, also Massnahmen, die in Wirklichkeit eine Form von Euthanasie sind. Die Wissenschaftler, die Forscher, die Ärzte, die Krankenpfleger sowie die Politiker, die Verwaltungskräfte und die Krankenseelsorger dürfen nicht vergessen, dass "die Versuchung zur Euthanasie" eines " der alarmierendsten Symptome der Kultur des Todes ist, die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften um sich greift" (Evangelium vitae, 64).
Ansprache an der Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, 17. November 2007
Das Leben: ein Geschenk Gottes
Das Leben des Menschen ist ein Geschenk Gottes, das zu hüten wir alle immer berufen sind. Diese Pflicht betrifft auch die im Gesundheitsdienst tätigen, deren besondere Aufgabe es ist, sich zu " Dienern des Lebens" in allen seinen Phasen zu machen, besonders in denen, die von Gebrechlichkeit und Krankheit gezeichnet sind. Notwendig ist ein gemeinsames Bemühen, damit das menschlichen Leben nicht nur in den katholischen Krankenhäusern geachtete wird, sondern überall, wo Kranke behandelt werden.
Ansprache an der Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst, 17. November 2007
Ein moralischer Gebrauch der Wissenschaft
Der Heilige Stuhl wird jedenfalls nicht aufhören, immer wieder für die Prinzipien und Rechte einzutreten, die auf das gegründet sind, was das Bleibende und Wesentliche an der menschlichen Person ist. Das ist ein Dienst, den die Kirche der wahren Würde des nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen leisten will. Und genau von diesen Überlegungen ausgehend kann ich nicht umhin, erneut die auf allen Kontinenten begangenen ständigen Angriffe auf das menschliche Leben zu beklagen. Ich möchte, zusammen mit vielen Forschern und Wissenschaftlern, daran erinnern, dass die neuen Grenzbereiche der Bioethik nicht mehr eine Wahl zwischen Wissenschaft und Moral auferlegen, sondern vielmehr einen moralischen Gebrauch der Wissenschaft verlangen
Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps, 7. Januar 2008
Ethisch-moralische Prinzipien
Ausserdem, liebe Freunde, fordere ich euch dazu auf, mit besonderer Aufmerksamkeit die schwierigen und komplexen Probleme der Bioethik zu verfolgen. Die neuen biomedizinischen Technologien interessieren nicht nur einige Ärzte und darauf spezialisierte Forscher, sondern werden durch die modernen Medien verbreitet und rufen in immer weiteren Kreisen der Gesellschaft Erwartungen und Fragen hervor. Das Lehramt der Kirche kann und darf gewiss nicht bei jeder Neuheit der Wissenschaft eingreifen, es hat aber die Aufgabe, die auf dem Spiel stehenden hohen Werte herauszustellen und den Gläubigen und allen Menschen guten Willens ethisch-moralische Prinzipien und Orientierungen für die neuen wichtigen Fragen anzubieten. Die beiden fundamentalen Kriterien für die moralische Unterscheidung in diesem Bereich sind:
a) die unbedingte Achtung des Menschen als Person von seiner Empfängnis bis zum natürlichen Tod,
b) die Achtung der Eigentümlichkeit der Weitergabe des menschlichen Lebens durch die den Eheleuten eigenen Akte.
Nach der Veröffentlichung der Instruktion "Donum vitae" im Jahr 1987, die diese Kriterien formuliert hatte, haben viele das Lehramt der Kirche kritisiert und es angeprangert, als wäre es ein Hindernis für die Wissenschaft und für den wahren Fortschritt der Menschheit.
Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre, 31. Januar 2008
Menschenwürde
Die neuen Probleme, die zum Beispiel, mit dem Einfrieren von menschlichen Embryonen, mit der Embryonen-Selektion, mit der Präimplantationsdiagnostik, mit der embryonalen Stammzellenforschung und mit den Klon-Versuchen von Menschen verbunden sind, zeigen deutlich, wie mit der künstlichen Befruchtung ausserhalb des menschlichen Körpers die zum Schutz der menschlichen Würde errichtete Barriere niedergerissen worden ist. Wenn menschliche Wesen im schwächsten und wehrlosesten Zustand ihrer Existenz selektiert, aufgegeben, getötet oder gar als "biologisches Material" verwendet werden, wie liesse sich dann leugnen, dass sie nicht mehr als ein "Jemand", sondern als ein "Etwas" behandelt werden, wodurch der Begriff der Menschenwürde selbst in Frage gestellt wird?
Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre, 31. Januar 2008
Die Würde der Person zuerkennen
Gewiss schätzt und ermutigt die Kirche den Fortschritt der biomedizinischen Wissenschaften, die bislang unbekannte therapeutische Perspektiven eröffnen, zum Beispiel durch die Verwendung der somatischen Stammzellen oder durch die Therapien zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit oder zur Behandlung genetischer Krankheiten. Gleichzeitig aber fühlt sie sich verpflichtet, die Gewissen aller zu erleuchten, damit der wissenschaftliche Fortschritt wirklich jedes menschliche Wesen respektiere, dem die Würde der Person zuerkannt werden muss, da es nach dem Bild Gottes geschaffen ist.
Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Glaubenslehre, 31. Januar 2008
Liebe umfasst das Ganze
Jedes wissenschaftliche Forschen muss auch ein von Liebe beseeltes Forschen sein, das dazu bestimmt ist, sich in den Dienst des Menschen und der Menschheit zu stellen und seinen Beitrag zum Aufbau der Identität der Menschen zu leisten. Wie ich in der Enzyklika Deus caritas est hervorgehoben habe, "umfasst die Liebe das Ganze der Existenz in allen ihren Dimensionen, auch in derjenigen der Zeit... Liebe ist "Ekstase"", das heisst "Ekstase als ständiger Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung" (Nr. 6). Die Liebe lässt den Menschen aus sich heraustreten, um den anderen zu entdecken und kennenzulernen; dadurch, dass sie den Menschen für die Andersheit öffnet, stärkt sie auch seine Identität, denn der andere zeigt mir, wie ich wirklich bin. Das ist quer durch die ganze Bibel die Erfahrung, die, angefangen bei Abraham, von zahlreichen Gläubigen gemacht worden ist. Das Vorbild der Liebe schlechthin ist Christus. In dem Akt, sein Leben für seine Brüder hinzugeben, sich völlig hinzugeben, offenbart sich seine tiefe Identität, und wir erhalten darin den Schlüssel für die Deutung seines Wesens und seiner Sendung.
Ansprache an die Teilnehmer an der interakademischen Studientagung, 28. Januar 2008
Der Fortschritt
Der Fortschritt bietet unzweifelhaft neue Möglichkeiten zum Guten, aber er öffnet auch abgründige Möglichkeiten des Bösen, die es ehedem nicht gab. Wir alle sind Zeugen geworden, wie Fortschritt in dem falschen Händen zum grausamen Fortschritt im Bösen werden kann und geworden ist. Wenn dem technischen Fortschritt nicht Fortschritt in der moralischen Bildung des Menschen, im "Wachstum des inneren Menschen" (vgl. Eph 3,16; 2 Kor 4,16) entspricht, dann ist er kein Fortschritt, sondern eine Bedrohung für Menschen und Welt.
Spe salvi 22, 30. November 2007
Vernunft: die grosse Gabe Gottes
Ja, Vernunft ist die grosse Gottesgabe an den Menschen, und der Sieg der Vernunft über die Unvernunft ist auch ein Ziel des christlichen Glaubens. Aber wann herrscht die Vernunft wirklich? Wenn sie sich von Gott gelöst hat? Wenn sie für Gott blind geworden ist? Ist die Vernunft des Könnens und des Machens schon die ganze Vernunft? Wenn der Fortschritt, um Fortschritt zu sein, des moralischen Wachsens der Menschheit bedarf, dann muss die Vernunft des Könnens und des Machens ebenso dringend durch die Öffnung der Vernunft für die rettenden Kräfte des Glaubens, für die Unterscheidung von Gut und Böse ergänzt werden. Nur so wird sie wahrhaft menschliche Vernunft. Sie wird menschlich nur, wenn sie dem Willen den Weg zeigen kann, und das kann sie bloss, wenn sie über sich hinaussieht. Sonst wird die Lage des Menschen im Ungleichgewicht zwischen materiellem Vermögen und Urteilslosigkeit des Herzens zur Bedrohung für ihn und die Schöpfung.
Spe salvi 23, 30. November 2007
Vernunft und Glauben
Die Vernunft braucht den Glauben, um ganz zu sich selbst zu kommen: Vernunft und Glauben brauchen sich gegenseitig, um ihr wahres Wesen und ihre Sendung zu erfüllen.
Spe salvi 23, 30. November 2007
Eine Medizin gegen die Sterblichkeit?
Wir könnten sagen, dass die ganze Wissenschaft ein einziger grosser Kampf für das Leben ist, das gilt vor allem für die Medizin. Die Medizin ist letzten Endes ein Forschen, wie man sich dem Tod widersetzen könnte, sie ist Suche nach der Unsterblichkeit. Aber können wir eine Medizin finden, die uns die Unsterblichkeit garantiert? Das ist die Frage des heutigen Evangeliums. Versuchen wir uns vorzustellen, dass es der Medizin gelänge, das Rezept gegen den Tod, das Rezept der Unsterblichkeit zu finden. Auch in diesem Fall würde es sich noch immer um eine Medizin handeln, die innerhalb der Biosphäre angesiedelt wäre, eine auch für unser geistiges und menschliches Leben gewiss nützliche Medizin, aber an sich eine Medizin, die sich innerhalb der Grenzen dieser Biosphäre bewegt. Man kann sich leicht vorstellen, was geschähe, wenn das biologische Leben des Menschen kein Ende hätte, wenn es unsterblich wäre: wir würden uns in einer gealterten Welt vorfinden, einer Welt voller alter Menschen, einer Welt, die für junge Menschen, für die Erneuerung des Lebens keinen Platz mehr liesse. Wir begreifen also, dass dies nicht die Art von Unsterblichkeit sein kann, nach der wir uns sehnen; das ist nicht die Möglichkeit, an der Quelle des Lebens zu trinken, wie wir alle es uns wünschen.
Predigt beim Besuch im Internationalen Jugendzentrum San Lorenzo, 9. März 2008
Unterscheiden können
Das Christentum stellt eine starke und tiefe Verbindung zwischen dem "alten" Kontinent und der "neuen Welt" dar. Man braucht nur an die wesentliche Stellung zu denken, die die heilige Schrift und die christliche Liturgie in der Kultur und in der Kunst der europäischen und der amerikanischen Völker einnehmen. Leider ist jedoch die sogenannte "westliche Zivilisation" ihrer Inspiration durch das Evangelium teilweise auch untreu geworden. Daher bedarf es einer aufrichtigen und ehrlichen Reflexion, einer Gewissensprüfung. Man muss unterscheiden zwischen dem, was die "Zivilisation der Liebe" aufbaut, wie es dem in Jesus Christus offenbarten Plan Gottes entspricht, und dem, was sich ihr entgegenstellt.
Ansprache beim Rosenkranzgebet mit den Universitätsstudenten, 1. März 2008
Die Zivilisation der Liebe
Die grossen europäischen und amerikanischen Städte werden immer kosmopolitischer, aber oft fehlt in ihnen dieser Lebenssaft, der dafür sorgt, dass die Unterschiede nicht zur Spaltung oder zum Konflikt führen, sondern zur gegenseitigen Bereicherung. Die Zivilisation der Liebe ist ein "Zusammenleben", also ein achtungsvolles, friedliches und freudiges Miteinander der Unterschiede im Namen eines gemeinsamen Vorhabens, das der sel. Johannes XXIII. auf den vier Pfeilern der Liebe, der Wahrheit, der Freiheit und der Gerechtigkeit gründete.
Ansprache beim Rosenkranzgebet mit den Universitätsstudenten, 1. März 2008
Ungeahnte ethische Herausforderungen
In einer Zeit, wo Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft vielen neue Hoffnung bringen, führen sie auch zu vorher ungeahnten ethischen Herausforderungen. Das macht es wichtiger denn je, den in der Gesundheitsfürsorge tätigen Katholiken eine gründliche Ausbildung in der kirchlichen Morallehre zu bieten. In all diesen Apostolaten ist weise Anleitung erfordert, damit sie reiche Frucht bringen können; wenn sie wirklich das Gesamtwohl des Menschen fördern sollen, müssen sie selber neu werden in Christus, unserer Hoffnung.
Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen der USA in Washington, 16. April 2008
Man braucht Gott nicht mehr
Die Säkularisierung, die sich in den Kulturen als Entwurf der Welt und des Menschseins ohne Bezugnahme auf die Transzendenz zeigt, durchdringt jeden Aspekt des täglichen Lebens und entwickelt eine Denkart, die Gott de Facto entweder vollkommen oder teilweise aus dem Dasein und dem Bewusstsein des Menschen ausschliesst. Diese Säkularisierung stellt nicht nur eine äussere Bedrohung für die Gläubigen dar, sondern zeigt sich seit geraumer Zeit auch innerhalb der Kirche selbst. Tief und von innen heraus entstellt sie den christlichen Glauben und demzufolge auch die Lebensweise und das tägliche Verhalten der Gläubigen. Sie leben in der Welt und sind häufig von der Kultur der Bilder, in der sich widersprüchliche Ideale und Impulse aufdrängen, tief beeinflusst, wenn nicht sogar geprägt, mit der praktischen Verleugnung Gottes: Man braucht Gott nicht mehr, man muss nicht mehr an ihn denken und zu ihm zurückkehren. Des weiteren begünstigt die vorherrschende hedonistische und konsumorientierte Mentalität in den Gläubigen wie in den Hirten ein Abdriften zu Oberflächlichkeit und Egozentrismus, was dem kirchliche Leben schadet.
Ansprache für die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 8. März 2008
Der Hochmut des Menschen
Die intellektuelle Sensibilität und die Hirtenliebe Johannes Pauls II. veranlassten ihn, die Tatsache zu betonen, dass die Industrielle Revolution und die wissenschaftlichen Entdeckungen es ermöglicht haben, Fragen zu beantworten, auf die vorher nur die Religion teilweise eine befriedigende Antwort geben konnte. Die Folge war, dass der heutige Mensch oft den Eindruck hat, niemanden mehr zu brauchen, um das Universum zu begreifen, zu erklären und zu beherrschen, er betrachtet sich als das Zentrum von allem, das Mass aller Dinge.
Ansprache für die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 8. März 2008
Hochmut der Vernunft
In jüngster Zeit bewirkte die Globalisierung mittels der modernen Informationstechnologien nicht selten auch die Verbreitung zahlreicher materialistischer und individualistischer Komponenten des Westens in allen Kulturen. Mehr und mehr wird die Formel "Etsi Deus non daretur" zu einer Lebensweise, deren Ursprung in einem "Hochmut" der Vernunft liegt - obwohl auch diese eine von Gott geschaffene und geliebte Wirklichkeit ist -, die sich für selbstgenügsam hält und sich der Betrachtung und der Suche nach einer sie übersteigenden Wahrheit verschliesst. Das Licht der Vernunft, von der Aufklärung verherrlicht, in Wirklichkeit aber verarmt, ersetzt auf radikale Weise das Licht des Glaubens, das Licht Gottes (vgl. Benedikt XVI., Vorlesung für den Besuch in römischen Universität "La Sapienza", 17. Januar 2008).
Ansprache für die Teilnehmer an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 8. März 2008